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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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Rücken zu, als er mich sah; ich tippte ihm auf die Schulter.
    Was denn?
    Der Schein, den Sie mir gegeben haben, ist wertlos.
    Das ist ja nun nicht mehr mein Problem.
    Ich glaube, Sie haben mir Falschgeld gegeben. Und ich finde, Sie sollten es zurücknehmen.
    Ich finde, Sie gehen jetzt besser, sagte er und zeigte mit dem Finger auf mein Gesicht. Sein Blick allerdings fiel auf eine Region irgendwo zwischen meinem Kinn und meinem Bauchnabel. Er ließ bedrohlich die Armmuskeln spielen.
    Sagt Ihnen der Name Zee etwas?, fragte ich.
    Der drohende Zeigefinger geriet ins Wanken. Die Frau wandte sich ab und verschwand. Der schwere Mann trat einen Schritt zurück und sagte: Was soll mit Zee sein?
    Ich bin sein, sagen wir mal, privater Chauffeur. Ich könnte ihn anrufen und ihn bitten, die Sache zwischen uns zu regeln. Oder ich kann Ihnen einfach den Hunderter zurückgeben, und Sie geben mir mein Geld zurück, und eine Fahrt gebe ich Ihnen umsonst noch dazu.
    Er nickte. Zog das Geld aus der Tasche und reichte es mir.
    Würden Sie kurz draußen warten?, fragte er höflich. Ich muss noch kurz mit der Dame was klären.
    Wenige Minuten später saß er wieder in meinem Wagen. Okay, sagte er, jetzt wieder zum Club. Diesmal hatte er sich neben mich gesetzt, er sah mich immer wieder von der Seite an. Irgendwann fragte er: Kennen wir uns nicht irgendwoher?
    Nicht, dass ich wüsste.
    Scheiße, verdammt, Sie sind doch der Typ, der immer donnerstags hinter dem Strip-Laden auf die Blonde gewartet hat.
    Stimmt, sagte ich, das war ich.
    Na klar, sagte er, jetzt erkenne ich Sie. Hah, kleine Welt. Ich arbeite da nicht mehr, der Laden, wo ich jetzt bin, ist total angesagt, das läuft für mich viel besser. Jede Nacht nehm ich mir eine von den Tanzmiezen, sie stecken mir ihre Telefonnummer zu, und dann dürfen sie an der Schlange vorbeistöckeln. Mensch, tut mir leid wegen Ihrem Mädchen, wie hieß die noch mal, Sally?
    Ja. Was soll mit ihr sein?
    Das wissen Sie doch wohl, sagte er.
    Was soll ich wissen?, sagte ich.
    Sie haben sie doch gefickt, oder nicht?
    Nein, wir waren nur befreundet. Aber sagen Sie schon, was wissen Sie denn?
    Ich hatte aber den Eindruck, dass da mehr lief zwischen Ihnen. Sie müssten sich nur sehen, wie traurig Sie gerade aussehen. Wie auch immer. Ich weiß nur, dass sie sich eines Nachts in der Toilette eingeschlossen hat und sich geweigert hat, die Tür aufzumachen und auf die Bühne zu kommen. Sie hat geheult und überhaupt nicht mehr aufgehört, ich hab am Ende die Klotür aufgebrochen. Sie lag im Bikini auf dem Boden, mit ihren Stöckelschuhen. Sie heulte und wollte nicht reden. Ich habe ein anderes Mädchen gerufen, die hat ihr was zum Anziehen gebracht. Sie hat dann erzählt, dass Sallys beste Freundin Maggie an diesem Abend bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ist. Ich habe Ihrer Freundin etwas Wasser gegeben, das hat sie getrunken, und dann hat sie ihre Tasche genommen und ist verschwunden. Das war alles. Wir haben sie dann nicht mehr gesehen.
    Wissen Sie, wo sie hinwollte?
    Keine Ahnung, diese Mädels kommen und gehen, ich halte mich aus den persönlichen Sachen raus. Aber dass Ihre Sally Hilfe gebraucht hat, war klar, der Verlust hat sie richtig umgehauen.
    Meine Tür, sagte er dann, ich steige hier aus. Kommen Sie mal irgendwann vorbei, dann gebe ich Ihnen einen aus.
    Er ging auf die lange Schlange zu, halb nackte Mädchen, die zitternd in der kalten Nacht standen, um eingelassen zu werden.

Vierter Akt

Der Mord
    Mein Briefkasten enthielt eine Menge Werbung, mehrere Rechnungen und einige an Otto adressierte Briefe, letzte Spuren unseres Zusammenlebens.
    Am Abend beschloss ich, nach Otto zu suchen, um ihm seine Post zu geben. In seiner Lieblingsbar war er nicht, der Barkeeper erklärte, Otto würde meistens eher später kommen. Ich fuhr zu der Wohnung, die er mit der alten Dame teilte, die, so hatte er sich schon oft beklagt, immer nur rauchte und sich mit Rum und Cola betrank. Die leeren Dosen stapelte sie in ihrem Zimmer, die Wände waren längst hinter den Coladosenreihen verschwunden. In Bezug auf sie gab es nur eine existenzielle Frage, nämlich die, ob sie an Diabetes sterben würde oder an Leberzirrhose. Auf jeden Fall Fettleibigkeit, meinte Otto. Wie der Rest der Bevölkerung auch, Fly, sagte er, es ist die Fresssucht, die uns am Ende alle kriegen wird.
    Aber Otto war nicht zu Hause. Noch einmal fuhr ich zu der Bar, als ich eintrat, entdeckte ich ihn gleich. Er saß auf einem Barhocker und

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