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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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sagte die anmutige, die ritterliche Zainab.
    Ich legte mich ein paar Stunden hin, irgendwann wurde ich von den Bauarbeiten draußen geweckt. Ich stand auf und dachte an Maria. Arme Maria, sie musste Jesus heiraten. Leider war Jesus ein asexueller, beschnittener Revolutionär. Wie soll man sich da noch eine Zukunft erträumen? Fragen über Fragen.
    Ich stieg aus der Dusche und kämmte die wenigen Haare, die mir geblieben waren. Als ich den Bauch einzog, um das Hemd in die Hose zu stecken, fiel mir ein, was ich am Tag zuvor alles gegessen hatte. Stolz war ich nicht darauf, reuen tat es mich aber auch nicht. Den Rat meines Arztes hatte ich längst vergessen.
    Rechnung
    Der Dealer rief an, und ich fuhr gleich zu ihm rüber. Seine Freundin stand oben am Fenster und rief: Ich warte auf dich, Zee, mein Baby! Und dann winkte sie auch mir und sagte: Viel Glück, guter Mann!
    Wir fuhren in die Stadt, machten hier und dort halt, das Übliche. Zum Schluss brachte ich ihn zu einem Club, vor dem eine lange Schlange stand. Nächste Woche wieder?, fragte er.
    Ja.
    Gut. Ich rufe dich an. Kennst du dich im Industriegebiet aus?
    Ja, sogar sehr gut, versicherte ich.
    Gut. Willst du für die Runde heute Bargeld oder lieber Koks?
    Bargeld.
    Alles klar. Fly nimmt es lieber bar. Er klopfte mir kurz auf die Schulter und stieg aus. Er ging an den Wartenden vorbei, wurde gleich von den Türstehern in Empfang genommen, die ihn schützend in ihre Mitte nahmen. Die Tür ging auf, sie führten ihn hinein, als wäre er der heimliche Herrscher der Stadt.
    Ich fuhr los und wurde gleich wieder angehalten, der Mann hatte einen Stiernacken und ging schaukelnd wie ein Ringkämpfer.
    Da rauf zur Main Street, sagte er, als er sich hinten in den Wagen gequetscht hatte. Wenn der mich mit seinen gedopten Armen in den Schwitzkasten nimmt, dachte ich, platzt mir der Kopf, bevor noch die Ampel auf Grün springt.
    Die Reifen rauschten auf dem Asphalt, ich spürte, dass er bedrückt war, und erwähnte, um ihn etwas freundlicher zu stimmen, das Wetter. Klamm heute, sagte ich.
    Er nickte.
    Dann fragte ich, ob er zufällig Ringkämpfer sei. Er grinste. Nein, antwortete er, Ringkämpfer sind alle Schwuchteln. Ich fass doch nicht irgendwelche Typen am Arsch und schnüffele ihren Hodenschweiß. Ich bin ja kein Hund.
    Auf der persischen Halbinsel, warf ich ein, wird der Ringkampf bis zum heutigen Tag praktiziert. Offenbar wurde der Sport während der mazedonischen Besatzungszeit sehr beliebt. Kulturelle Einflüsse, fuhr ich fort, und Spuren der Vergangenheit findet man in den alltäglichsten Dingen. Nach der Eroberung befahl Alexander der Große seinen Offizieren, persische Frauen zu heiraten … Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und sah ein, dass meine historischen Ausführungen dem Muskelpaket auf dem Rücksitz ausgesprochen pedantisch erscheinen mussten, und so kehrte ich etwas enttäuscht zur Gegenwart zurück und fragte: Was machen Sie denn so beruflich?
    Türsteher, Mann.
    In dem Club dahinten?
    Ja.
    Ich habe gerade einen Freund da abgesetzt, sagte ich.
    Da ist heute alle Welt, aber ich muss was erledigen. Können Sie ein bisschen schneller machen? Ich muss an der Main Street sein, bevor die Kellnerin nach Hause geht, mit der ich verabredet bin.
    Ich tue, was ich kann, sagte ich. Wir fuhren eine Weile schweigend.
    Halten Sie hier an, sagte er und reichte mir einen Hundertdollarschein nach vorn. Und beeilen Sie sich mit dem Wechselgeld.
    Ich zog mein Geldbündel unter dem Sitz hervor und zählte ihm zweiundneunzig Dollar in die Hand, er stieg aus, ohne mir ein Trinkgeld zu geben.
    An der nächsten Ampel sah ich mir den Schein genauer an, er hatte mir schlechtes Falschgeld gegeben, nicht besser als Monopoly-Scheine.
    Ich drehte und fuhr zurück an die Stelle, wo ich ihn abgesetzt hatte, er war natürlich längst weg. Ich fuhr um den Block und dachte: Denk mal nach, Fly, der Muskelprotz war nicht auf dem Weg nach Hause. Ich parkte den Wagen und machte mich zu Fuß auf die Suche nach einem schmierigen Imbiss mit einer Kellnerin, nach einer Kaschemme, die, so schätzte ich das Viertel ein, mit Poker- und Zigarettenautomaten und zwei Bier trinkenden, am Tresen hockenden Gestalten ausgestattet war. Es dauerte nicht lange, bis ich genau so ein Etablissement gefunden hatte. Gäste waren keine da, nur der Muskelprotz und die Angestellten. Er unterhielt sich mit einer Frau, die sehr hohe, wacklige Sandaletten trug und einen ultrakurzen Minirock. Er drehte mir den

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