Spinnen füttern
Taxifahrer der Stadt erwischt. Glaubt ihr kleinen Wichser etwa, ihr könnt mir etwas anhaben?
Ich trat aufs Gas. Mit hundertachtzig oder zweihundert krachten wir über die Autobahn, der ganze Wagen flatterte, und um noch einen draufzusetzen, fing ich an, Opernarien zu schmettern und mich dabei selbst zu dirigieren. Ich bin Samson!, schrie ich. Dass der Tempel auf mich stürze und auf alle meine Feinde! Oh Herr, mein Haar ist mir neu gewachsen, ich bin ohne Furcht, und mein Volk ist aufgestanden … so ein Zeug halt, und dann habe ich mir noch ein paar Lieder über den Herrgott ausgedacht, seine Wiederkunft, auf die Knie, schrie ich, auf die Knie, der Tempel wird neu erstehen, und wir werden alle gerettet werden … Hallelujah!
Der eine pisste sich in die Hose, der andere wimmerte um Gnade. Reumütig erklärte er, sie hätten nur Spaß gemacht, sie wollten mir ein wenig Feuer unterm Hintern machen. Nein, wir wollten dich nicht ausrauben … unsere Eltern haben Geld genug, sie würden mir was geben, wenn ich nur anhalten würde, bitte … hinter mir heulten Polizeisirenen auf, ich sah das Blaulicht und fuhr sofort auf die Standspur. Der Strafzettel, den ich bekam, war der teuerste meines Lebens.
Und jetzt, erzählte Samson, stellt sich heraus, dass der Vater dieser beiden Deppen ein Wirtschaftsboss ist, der dem Bürgermeister seine Wiederwahl finanziert. Der Mann hat mich angezeigt, weil ich das Leben seiner Kinder gefährdet habe. Der Anwalt verlangt ein psychologisches Gutachten, bei der Behörde liegt schon ein Antrag auf Entzug der Taxilizenz. Irgendwann ist das Maß voll … Was soll ich denn nun machen… Ich will mich ja verteidigen, aber ich kann mir keinen Anwalt leisten. Ich würde mich sogar selbst vor den Richter stellen und ihm erzählen, was wirklich passiert ist, aber meine Frau macht sich Sorgen, sie hat das alles so satt. Ich sehe meine Kinder überhaupt nicht mehr, ich arbeite rund um die Uhr. Wenn ich die Lizenz verliere, verlässt sie mich. Hat sie gesagt. Sie nimmt die Kinder und zieht wieder zu ihren Eltern …
Worauf ich, Fly – Wanderer, nicht Spinne –, meine Nahrungsaufnahme vorübergehend einstellte, die Spinne ansah und fragte: Für welche Firma arbeitet der Mann, und wie heißt er?
Er heißt Mr Sarnath Patel. Er ist der Vorstandsvorsitzende von Dovlin Steel, ein Mann, der die ganze Welt ausplündert und sechs Dörfer vergiftet und dem ein Taxifahrer wie ich am Arsch vorbeigeht. Ich bin ruiniert!
Ich stand auf und brachte mein Tablett zurück. Der Wirt war inzwischen aus der Küche gekommen, er füllte Kaffee in einen mit dorischen Säulen verzierten Pappbecher, der farblich auf die Wände und seine Uniform – weiße Schürze zu blauer Kochmütze – abgestimmt war.
Im Morgengrauen fuhr ich nach Hause, duschte und rasierte mich und stieg gleich wieder in den Wagen. Ich fuhr zur Zentrale von Dovlin Steel. Am Empfang fragte ich nach Mr Patel, dem Vorstandsvorsitzenden. Ich musste eine Weile warten, dann kam ein uniformierter Mann und nahm mich mit zur Sicherheitskontrolle.
Worum geht es denn?, fragte er.
Ich bin Taxifahrer, und ich bin hier im Auftrag eines anderen Taxifahrers. Es geht um Mr Patels Söhne.
Der Uniformierte bat mich zu warten und verschwand.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis eine Frau, die von einem Bodyguard begleitet wurde, herunterkam. Sie brachte mich in die vierundzwanzigste Etage. An der Aufzugtür wurden wir von zwei weiteren Sicherheitsleuten oder Bodyguards empfangen, die mich an einen Tisch führten, wo sie meine Tasche durchsuchten. In der Tasche befand sich ein Buch, Der Unsichtbare , das ich erst kürzlich eingesteckt hatte, ich hatte es beim Sortieren und Aufräumen mehrmals in der Hand gehabt und hatte es für eine Zauberanleitung gehalten. Doch die Geschichte eines Mannes, der in einer lichtgefüllten Leere existiert, war viel zauberhafter als jede Anleitung. Bei uns ist jeder und alles sichtbar, murmelte der Mann und stopfte das Buch in die Tasche zurück, in einer derart respektlosen Weise, dass ich beinahe das ganze Gebäude mit meinem donnerblitzenden Blick zum Einsturz gebracht hätte.
Man bot mir Kaffee oder Wasser an. Ich bat um Kaffee, der aber nicht kam. Eine Stunde ließen sie mich warten. Die Frau sah gelegentlich herein, um sich flüchtig zu entschuldigen und mich um Geduld zu bitten. Mr Patel sei ein viel beschäftigter Mann, sagte sie jedes Mal.
Endlich kam Mr Patel heraus, gefolgt von der Frau, die seine Sekretärin
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