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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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ihre Lustschreie hallten in der ganzen Stadt wider. Am nächsten Tag musste ich ihnen Koks bringen, von einem Dealer auf der Main Street, sie schnieften das Zeug und fickten weiter, bis auch die zweite Nacht vorüber war. Bevor die Prinzessin nach Hause flog, gab sie dem Fahrer einen Scheck und eine Adresse, er solle ihr unbedingt schreiben, aber auf keinen Fall anrufen.
    Nummer 79 schrieb viele Briefe, in denen er um Geld und Hilfe bat, immer mit einer neuen Geschichte: Kriegswirren, Familiensagas, der Tod seiner Mutter, ein liegen gebliebenes Taxi, und jedes Mal erhielt er im Handumdrehen einen Scheck, der ihm aus seinen Schwierigkeiten heraushelfen sollte. Am besten funktionierte die Geschichte von dem Anwalt, der ihn in einem Deportationsverfahren vertrat. Auch er wollte bezahlt werden, sonst würde man ihn ausweisen und in die Armee stecken und an die Front schicken, was er zweifellos nicht überleben würde. Der fette Scheck kam per Kurier.
    Eines Tages kam von der Prinzessin ein Brief, sie sei bereit, alles hinzuschmeißen und zu fliehen, er solle sie im gleichen Hotel wie damals erwarten. Er antwortete ihr nicht. Sie schrieb einen zweiten Brief, er antwortete wieder nicht. Im dritten Brief drohte sie, ihn umzubringen, ihre königlichen Bodyguards würden kommen, um ihm die Eier abzuschneiden. Er rief zu Hause in Lagos an und bat seinen Cousin, der Prinzessin einen Brief zu schicken, des Inhalts, dass Nummer 79 trotz aller Bemühungen seiner Anwälte repatriiert worden sei. Er sei in die Armee eingezogen worden und im Gefecht gefallen. Bevor er sein Leben aushauchte, habe er den Wunsch geäußert, die Prinzessin möge ihm verzeihen, sie würden sich im Paradies wiedersehen.
    Es gibt Erinnerungen, die einen zum Alkohol treiben, ich weiß nicht, ob es Freude oder Trauer war, die mich zu Zainabs Tür führte. Ich klopfte. Sie öffnete und sagte, mein lieber Fly, es ist spät, ich bin nicht allein. Ich entschuldigte mich und bat sie, mir leihweise etwas Whiskey oder Cognac zu geben. Es war ein langer, anstrengender Tag, erklärte ich, ich brauche etwas zum Einschlafen, einen Drink, bevor ich ins Bett gehe …
    Na gut, Fly, komm rein. Meine Freundin Gina ist hier, wir trinken auch gerade einen, setz dich zu uns.
    Die Frau stand auf, wir begrüßten uns mit einem Wangenkuss. Du bist wohl der Nachbar, von dem mir Zainab erzählt hat, du hast einmal einen ganzen Wald von Blumen mitgebracht, nicht wahr?
    Ja, in der Tat, ich bin ein Blumen- und ein Menschenträger.
    Du hast einen guten Geschmack, die Blumen waren wunderschön. Fly, ich habe so viel von dir gehört, nur Gutes natürlich.
    Das ehrt mich sehr, sagte ich. Ich bin dankbar für das Kompliment und erleichtert. Jeder lebt sein Leben und denkt, man hat ihn längst vergessen, deshalb tun wir Dinge, die wir sonst niemals tun würden. Nur damit man uns nicht vergisst.
    Da hast du recht, sagte Gina und lachte. Wir unterschätzen, wie wichtig es ist, anerkannt zu werden.
    Wir fürchten alle, vergessen zu werden. Die Tatsache unserer Vergänglichkeit hängt über uns wie ein Damoklesschwert, sagte ich, mir war bewusst, dass ich mit Eloquenz und Galanterie Eindruck schindete. Apropos Tod und Blumen, sagte ich, was machen diese Trauerkränze da draußen?
    Die Vermieterin ist gestorben, sagte Zainab.
    Dann werde ich morgen vorbeigehen und kondolieren, oder besser noch, ich schreibe dem Sohn einen Brief. Wäre es möglich, jetzt den versprochenen Drink zu bekommen?, fragte ich. Es gibt Tage, die kann man nur in einem gewissen Grad der Berauschtheit abschließen.
    Bitte sehr, sagte Zainab und schenkte mir einen Whiskey ein.
    Wir tranken und führten unsere Unterhaltung fort, die den Tod berührte, den Gang der Geschichte und andere unvermeidliche Angelegenheiten.
    Darf ich mal die Toilette benutzen? In meiner Frage lag eine gewisse Dringlichkeit. Wenn du versprichst, mich wieder reinzulassen, kann ich natürlich auch kurz in meine Wohnung gehen.
    Nein, bleib nur hier, jetzt entkommst du uns nicht, das Gespräch ist ja gerade interessant geworden, sagte Zainab. Wir warten auf dich.
    Ich möchte noch mehr von dem Kanonenmann und seiner Gefährtin erfahren, sagte Gina.
    Ich ging durch den langen Flur zum Bad, das Whiskeyglas in der Hand. Dann schien es mir auf einmal gefährlich, mit dem Glas das Badezimmer zu betreten (Tropfen einer Flüssigkeit ähnlicher Färbung, Gefahr von Vermischung, Lippenbenetzung in einem Augenblick der Verwirrung oder Erregung), also machte ich

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