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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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warteten, nach einer Weile wurde Zee ungeduldig, Scheiße, schimpfte er, wo bleiben die denn? Und kurz darauf noch einmal: Scheiße, dann halt nicht.
    Fahr los, geradeaus, sagte er. Mach dein Licht wieder an.
    Langsam fuhr ich auf den Schuppen zu.
    Jetzt halt an, blink dreimal mit dem Fernlicht.
    Ich tat, was er sagte. Dann wollte er meine Autoschlüssel haben.
    Ich zögerte.
    Ich meine es ernst, Fly. Sonst blas ich dich weg.
    Ich gab ihm die Schlüssel.
    Du bleibst hier, bis ich zurück bin, hast du verstanden? Ich geh da jetzt rüber. Komm nicht näher, und lass die Scheinwerfer an. Wenn die mich erkennen, wird nichts schiefgehen.
    Die können Sie aber nicht erkennen, sagte ich, das Licht kommt von hinten, man wird nur Ihre Silhouette sehen, wie auf einer Bühne. Ihr Gesicht erkennen die so nicht.
    Er hörte nicht auf mich.
    Er schlug die Tür zu und stellte sich mit der Tasche vor den Wagen. Langsam, tastend ging er über die Wiese.
    Meine Damen und Herren, sehen Sie nun den großartigen Zee in der Rolle seines Lebens, er spielt – einen Drogendealer! Grandios … und gleich, der Salto rückwärts nach der letzten Übergabe … und was für eine Übergabe das war!
    Aus den Publikumsrängen schien ein Scheinwerferpaar auf und traf Zee, ich sah, wie der Wagen langsam heranrollte. Er hielt an, Zee stieg ein. Ein paar Minuten später stieg er wieder aus, diesmal ohne Tasche. Der Beifahrer schob ein Gewehr aus seinem offenen Fenster. Ich hörte Schüsse und sah Zee zu Boden gehen, er verschwand aus meinem Blickfeld. Der Wagen kam jetzt auf mich zu. Blitzschnell schaltete ich die Dachleuchte ein, in der Hoffnung, dass alles, was mit einem T wie Taxi begann, Neutralität ausstrahlen und einen gewissen Schutz bieten würde. Vor Angst begann ich, mir Wörter mit T aufzusagen, mir fielen zuerst nur Tränen und Träume ein – bald auch weniger emotionale, eher handlungsorientierte Phrasen: tief einatmen, ab tauchen , Terror, Todeszone !
    Nichts wie weg, dachte ich, aber Zee hatte den Wagenschlüssel. Ich duckte mich unter das Armaturenbrett und wartete, bis das Auto mit dem Killer vorbeifuhr. Zumindest hoffte ich, dass es vorbeifahren würde, und ich hatte Glück: Es raste mit kosmischer Geschwindigkeit davon, ich konnte mir sicher sein, dass es niemandem gelungen war herauszuspringen, erst recht nicht mit einer Knarre in der Hand. Es hätte unsere menschlichen Grenzen gesprengt: Nicht einmal Killer sind in der Lage, solche wahnwitzigen Beschleunigungen zu überleben.
    Als ich nichts mehr hörte, streckte ich wie ein Seehund den Kopf heraus und sah mich um. Ich stieg aus und ging über den aufgeweichten Weg bis an die Stelle, wo ich Zee zuletzt gesehen hatte.
    Er lag bäuchlings im tiefen Schlamm, ich drehte ihn um, weiße, leere Augen starrten aus seinem Gesicht voller Dreck. Ich stieß ihn mit dem Zeigefinger an, flüsterte seinen Namen, aber er war hinüber. Tot.
    Ich durchsuchte seine Taschen, fand den Schlüssel und, in seinem Jackett, die Brieftasche. Ich nahm, was er mir schuldete – wobei ich großzügig Versicherungskosten, Vorführkosten, Risikomanagement, Unterwerfungsgebühr, Benzin- und Betriebskosten, Wischflüssigkeit, Beleidigungen, Wartezeiten, einmaliges Schuheputzen, Strafgebühren für den dem Wohlfahrtsstaat zugefügten Schaden und natürlich Fahrtkosten mit einrechnete. Tatsächlich entsprach die Summe, auf die ich nach kurzem Überschlag kam, genau dem Betrag, der sich in der Brieftasche befand. Ich rannte zurück zum Wagen, fuhr rückwärts über den unbefestigten Weg bis zur Straße. Ich kreuzte durch das Viertel bis zur Autobahn, wo ich die Segel setzte und, die Insel im Rücken, auf die Stadt zusteuerte.
    Ein Kranz
    Unter diesen Umständen beschloss ich, die Schicht abzubrechen und nach Hause zu fahren. Der Hausmeister trat gerade auf die Straße, als ich vor dem Haus ankam. Er trug einen Anzug. Er war rasiert, seine Sturmfrisur hatte sich gelegt. Ich hätte ihn ohne seine Lederjacke beinahe nicht erkannt. Ich beobachtete, wie er zu einer schwarzen, überlangen Limousine ging, die die Einfahrt zur Tiefgarage blockierte. Im Flutlicht meiner Scheinwerfer öffnete er die Tür auf der Beifahrerseite, Nonnenschuhe, schwarz und dick bestrumpfte Beine, die aus einem glockenförmigen Rock hervorschauten, tasteten nach dem Bordstein, eine alte Dame nahm seine Hand und stieg vorsichtig aus. Als sie stand, legte sie dem Hausmeister die Hand an den Nacken, zog ihn zu sich herab und küsste ihm die

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