Spion der Liebe
Tage und vierzig Patronen erhalten. Hinter Martigny durchquerte eine breitere Straße die Wildnis der Drance und endete in Bourg St. Pierre. Von dort führte ein schmaler Weg nach St. Rémy, zum ersten Dorf am italienischen Hang.
Je höher das Heer hinaufstieg, desto unwegsamer wurde die Straße. In Bourg St. Pierre nahmen die Mechaniker die Geschütze auseinander. Lafetten und Räder wurden gezählt, die Vorräte in kleine Kisten gepackt und auf Maultiere geladen, die Kanonenrohre auf Karren aus ausgehöhlten Baumstämmen und Schlitten. Watrins und Loisons Männer zogen diese Fahrzeuge. Später verlud man die Waffenteile auf Bahren.
An der Schneegrenze durchnäßte das Eiswasser die Schuhe, und sie mußten sie alle drei oder vier Meilen wechseln. Es dauerte zwei Tage, die Artillerie von St. Pierre zum Sankt Bernhard-Hospiz an der höchsten Stelle des Passes zu befördern. Nach einem zehnstündigen Marsch durch verschneites, sturmgepeitschtes Ödland erreichten die Soldaten das Klostergebäude, wo die Mönche große Tische gedeckt hatten. Bonaparte hatte ihnen vorher Geld und Wein geschickt.
Am 16. Mai bot der einsame Paß einen ausgesprochen wunderlichen Anblick. Zwischen ihrem gestapelten Kriegsgerät verspeisten die Soldaten gepökeltes Rindfleisch, Hammeleintopf, getrocknetes Gemüse, Ziegenkäse, Gruyère, und dazu tranken sie alten weißen Aosta-Wein. Danach begann die Reserve mit dem Abstieg, der ihr noch größere Schwierigkeiten bereitete als der Aufstieg.
Am 14. Mai traf Beau in General Otts Hauptquartier in Rivarolo di Sopra ein und erneuerte seine Bekanntschaft mit den österreichischen Stabsoffizieren, die er im letzten Herbst in Wien bei den Verhandlungen über eine zweite Koalition gegen Frankreich kennengelemt hatte.
Niemand erwartete, daß Massena noch viel länger durchhalten würde. Ende April hatten die Österreicher den Due Fratelli-Aquädukt zerstört, und nun wurden die Genueser Kornmühlen nicht mehr mit Wasser versorgt. Nacht für Nacht bombardierten Admiral Keiths Schiffe die Stadt aus nächster Nähe.
In seiner Verzweiflung hatte Massena am 11. Mai auszubrechen versucht, aber seine Truppen waren zu erschöpft gewesen, um zu kämpfen, und in die belagerte Stadt zurückgetrieben worden.
Die Österreicher wußten nichts Neues über Napoleon zu berichten, glaubten jedoch, die Franzosen würden Vorbereitungen treffen, um die Provence gegen eine drohende Invasion verteidigen, sobald Genua gefallen war. In der Zwischenzeit wurden die Österreicher von der Belagerung in Atem gehalten.
Am nächsten Tag ritten Beau und Berry nordwärts, um die Lage bei Alessandria zu sondieren. Danach wollten sie Pavia und Mailand aufsuchen.
Am 16. Mai stieg die Vorhut der napoleonischen Reserve den Paß hinab und eroberte Aosta. Einen Tag später schlug Lannes in Chatilion weitere eintausendfünfhundert Österreicher in die Flucht. Aber am 19. geriet er in Schwierigkeiten, als er die Festung von Bard erreichte, ein formidables Hindernis. Das kleine Fort erhob sich auf einem Felsen und kontrollierte die einzige Straße, die durch das schmale Tal führte. Am 21. wurden die Österreicher aus dem Dorf Bard vertrieben, doch die vierhundert Soldaten in der Festungsgarnison konnten Lannes’ stürmische Angriffe mit ihren sechsundzwanzig Kanonen abwehren.
Unverzüglich schickte der Festungskommandant Bernkopf eine Nachricht an General Melas nach Turin und informierte ihn über die französische Invasion. Wenn der General schnell handelte, konnte er den Vormarsch des Feindes stoppen.
Beau und Berry trafen den Kurier aus Bard, der zum österreichischen Hauptquartier galoppierte. Wenn Napoleon seine Truppen über die verschneiten Pässe geführt hatte, war ihm etwas nahezu Unmögliches gelungen. Beau ließ Admiral Keith die erstaunliche Neuigkeit mitteilen, dann ritt er mit seinem Captain nach Bard. Um die Schlagkraft von Napoleons Truppen abzuschätzen, brauchten sie Zahlen. War das Gotthard-Manöver eine Finte? Rückte die gesamte Armee nach Genua vor? Das mußte Melas unbedingt wissen.
Zwei Tage später näherten sie sich der Festung und hörten schon aus der Ferne den Kanonendonner. Wie sie bald feststellten, war das ganze Dorf von französischen Soldaten besetzt. Doch der Angriff wurde von einem eher kleinen Heer durchgeführt.
Während der nächsten Stunden erforschten sie die Umgebung. Am späten Nachmittag entdeckten sie Fußspuren, die an der Westseite der Festung vorbeiführten. Eine Zeitlang saßen sie
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