Spion der Liebe
fahren oft nach Mailand, um Gemälde für echt oder unecht zu befinden. Also kennen wir die Stadt sehr gut. Mit Pistolen kann ich ebensogut umgehen wie mit Schwertern.« Der kleine Professor, nicht viel größer als seine Tochter, straffte die Schultern. »Lord Rochefort, es wäre mir eine Ehre, Ihnen beizustehen.«
»Das weiß ich zu schätzen, aber glauben Sie mir, allein komme ich schneller voran. Vor meiner Abreise muß ich einen Bankier sprechen. Würden Sie das arrangieren?« bat Beau in der Hoffnung, Massena und sein Stabschef Solignac wären immer noch so geldgierig wie eh und je. »Kennen Sie jemanden, der möglichst schnell Kreditbriefe einlösen würde?«
Während Beau durch die mondhelle Nacht ritt, trug er genug Geld bei sich, um dem General ein Dutzend Frauen abzukaufen, und ein Schreiben, das ihn als Repräsentanten der Bank Allori und Söhne auswies.
Was immer es kosten mochte, er würde Serena zurückgewinnen – ob sie es wollte oder nicht. Mit welcher Taktik er das Ziel seiner Wünsche erreichen sollte, würde er erst später beschließen. Als Pitts Verbindungsmann hatte er gelernt, sich stets den jeweiligen Situationen anzupassen. Andere würden vor den schwierigen Aufgaben zurückschrecken, die er immer wieder übernahm. Aber er liebte das Risiko und war allen Gefahren gewachsen.
Auf der Reise nach Mailand wurde Serena äußerst höflich behandelt. Die Wagenkolonne hielt häufig an, vor allem in den Höfen der reichen Klöster, wo Kommandant Solignac ›Spenden‹ entgegennahm.
Wenn sie in Gasthöfen übernachteten, bewohnte Serena stets ihr eigenes Zimmer. Der Adjutant servierte ihr die Mahlzeiten, und sein Stabschef schickte ihr elegante Kleider, heißes Badewasser und Bücher, um ihr die Langeweile zu vertreiben.
Beinahe fühlte sie sich wie eine Gans, die vor Weihnachten gemästet wurde. Da sie dem General unbeschadet übergeben werden sollte, wagte keiner der Soldaten, sich an ihr zu vergreifen. Sie versuchte, nicht an das Ende der Fahrt zu denken. Aber ihre Verzweiflung wuchs mit jeder Stunde. Warum gerade ich, fragte sie sich, lehnte den Kopf an die Lederpolsterung der Kutsche und kämpfte erfolglos mit ihren Tränen.
Eines Tages wartete sie vor einer Postkutschenstation bei Parma, während die Pferde gewechselt wurden. Als sie am Straßenrand eine junge Bettlerin mit zwei Kindern stehen sah, erschienen ihr die eigenen Sorgen trivial. Bestürzt musterte sie die ausgemergelten, zerlumpten Gestalten. Sie selbst – die künftige Geliebte des Generals – wurde wenigstens gut ernährt und schön gekleidet. Spontan nahm sie die Perlen ab, die Beau ihr in Lissabon geschenkt hatte, winkte die Frau zu sich und drückte ihr die Kette in die Hand. »Nehmen Sie das, kaufen Sie Ihren Kindern was zu essen.«
Angesichts des kostbaren Geschenks brach die junge Frau in Tränen aus, küßte Serenas Hand und dankte ihr überschwenglich. »Früher waren wir keine Bettler, Signorina. Aber seit mein Mann Giovanni im Frühling bei der Schlacht von Magnano fiel, geht es uns sehr schlecht.«
»Das tut mir leid.«
»Kommt her, Kinder!« Die Frau schob einen Jungen und ein kleines Mädchen, das Serena schüchtern anlächelte, zum Wagenfenster. »Bedankt euch bei der freundlichen Signorina.«
»Vielen Dank«, sagte der Junge ernsthaft. In dem schmalen Gesicht wirkten die Augen viel zu groß. Fürsorglich hielt er die Hand seiner Schwester fest.
»In letzter Zeit wußte ich weder aus noch ein«, gestand die junge Italienerin. »Wir haben keine Verwandten. Und es ist so schwierig, Arbeit zu finden, noch dazu mit zwei Kindern …«
»Ich kenne jemanden, der Ihnen helfen kann. Fahren Sie mit der Postkutsche nach Florenz.« Serena nahm ein paar Münzen aus ihrer Tasche und reichte sie der Frau. »Gehen Sie zu Professor Castelli an der Accademia dell’Arte. Sagen Sie ihm, ich hätte Sie zu ihm geschickt. Sicher kennt er jemanden, der die Perlen kaufen würde.« Als sie den Hoffnungsschimmer in den Augen der jungen Frau sah, vergaß sie ihren eigenen Kummer. »Sagen Sie dem Professor und seiner Tochter, es geht mir gut. Ich bin auf dem Weg nach Mailand. Und ich werde mich bald bei ihnen melden.«
Wenig später setzte sich die Wagenkolonne wieder in Bewegung, und die kleine Familie winkte Serena dankbar zu. Nachdem sie diese gute Tat vollbracht hatte, fühlte sie sich etwas besser. Sie strich den Rock des eleganten weißen Georgettekleids glatt, das ihr Solignac gekauft hatte, und zupfte die gelben
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