Spion Für Deutschland
verfolgten die Zeitungen die Fahrt der >Leipzig<. Es gab riesige Schlagzeilen. Es wurde gewettet. Der Endspurt kam. Beide Schiffe nahmen direkten Kurs auf Lima.
Wenige Meilen waren sie noch vom Hafen entfernt. Jeder machte sich frei, um die Endphase des Kampfes zu erleben. Mit einer Nasenlänge siegte die
>Leipzig<. Kurz hintereinander liefen beide Schiffe in den Hafen ein. Deutsche und Peruaner feierten gemeinsam den Sieg, zu dem ich durch meine Meldungen beigetragen hatte.
Mein Job florierte. Der amerikanische Außenminister Cordeil Hull kam zu vertraulichen Gesprächen mit peruanischen Regierungsleuten nach Lima. Ich erfuhr, was besprochen wurde, und meldete es nach Deutschland. Kurze Zeit später schon wurden — wie von mir vorhergesagt — die diplomatischen
Beziehungen zwischen Peru und Deutschland abgebrochen. Gringer packte seinen Koffer. Ich blieb.
Eine Fortress-Versuchsmaschine, ein viermotoriger Bomber, landete auf dem Flughafen in Lima. Ich erfuhr al e technischen Einzelheiten, die Bewaffnung und den Aktionsradius der Maschine. Ich meldete über Chile weiter nach Berlin.
Monate später erschienen ganze Schwärme von Fortress-Maschinen am
nächtlichen Himmel Deutschlands. Es war aus mit dem Sport! Der Krieg wurde von Tag zu Tag härter. Man mußte die Zähne zusammenbeißen.
»Was macht der Krieg?« fragte mich eines Tages Evelyn. Sie trug blaue Shorts und einen weißen Pullover. »Ich pfeife auf den Krieg«, erwiderte ich. »Ich auch«, sagte sie. »Vater wird immer nervöser. Er erwartet einen Transport. Außerdem arbeitet er an diesen dummen Vorschlägen zur Verbesserung des
Konvoisystems.«
»Sprichst du schon wieder mit unseren Feinden?« Evelyns Mutter begrüßte mich herzlich.
Meldungen über das neue Konvoisystem, die eben erfundene Abwehr
magnetischer Minen, den angekündigten Transport und eine Menge anderer Dinge gab ich am selben Abend noch weiter. Ich saß an der Morsetaste und dachte an Evelyn. Der Zweck heiligt die Mittel. Der Zweck ist der Krieg. Der Teufel soll ihn holen .. .
Zwei Tage überlegte ich, wie ich in das Britisch-Amerikanische Hospital kommen könne. Auf Saal II lag ein Maat der >Dispatch.< Der Kreuzer hatte den deutschen Frachter >Dortmund< aufgebracht. Entgegen den Regeln des Seekriegs war das Schiff den Briten unversehrt in die Hände gefallen. Man wollte wissen, warum es nicht rechtzeitig versenkt worden sei.
Ich ging zu einem deutschen Arzt und ließ mir schildern, wie man ein Nierenleiden vortäuschen kann. Der Mann war Feuer und Flamme und gab mir Tips.
Der Maat lag mit mehreren anderen Patienten in einem Raum, in den ich als angeblich Kranker gelangen wollte. Ich ging noch einmal in meine Wohnung zurück. Heute wollte ich in den deutschen Klub. Ich weiß nicht mehr, welche Verabredung ich getroffen hatte. Ich kam gerade aus der Brause, als es Sturm läutete.
Es war ein Beamter der peruanischen Kriminalpolizei. Er hatte einen Spezialisten des Telegrafenamtes mitgebracht. Die beiden Männer begrüßten mich höflich.
Ich bot ihnen Pisco an, und sie nahmen ihn. Ich verbarg meinen Schrecken, so gut ich konnte. Ich wußte natürlich sofort, daß die beiden bei mir eine Haussuchung vornehmen wollten. Das mußte die sichere Ausweisung aus Peru bedeuten!
»Sie sind angezeigt worden, Senor«, sagte der Kriminalbeamte. »Sie stehen in dem Verdacht, einen Geheimsender zu betreiben. Wir müssen uns hier
umsehen. Con su permiso, senor?«
Ich überlegte fieberhaft. Es fiel mir nichts ein. Ich war ein Anfänger. Ein blutiger Anfänger. Ich war noch lange nicht der Agent 146 der deutschen Abwehr. Ich hatte noch Gefühle. Ich hatte noch mit meinem Puls zu kämpfen. Bald sollte es anders kommen. Später, viel später sprach ich im Zuchthaus Leavenworth mit deutschen Kriegsgefangenen, die wegen Ungehorsams zum Tod verurteilt waren, fünf Minuten vor ihrer Hinrichtung — und blieb ruhig dabei. Ich sah, wie sie sterben gingen und wurde nicht verrückt dabei . . .
Damals, in meinem Zimmer in Lima, erschrak ich noch, als die beiden Beamten plötzlich aufstanden.
»Sie gestatten doch, Senor?« sagten sie. Sie fingen an, al es durchzuwühlen. Ich saß in der Patsche.
Zu leugnen gab es gar nichts. Der peruanische Polizeiinspektor fuchtelte aufgeregt vor mir herum. Seine Stirn glitzerte schweißnaß. Aus seiner Brusttasche hing der Zipfel eines übergroßen Einstecktuches. Ob ich ihn bestechen sol te? Es gab zwei Möglichkeiten: entweder er nahm die tausend Sol, die ich
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