Spionin in High Heels
beste Freundin, meine Cousine Molly und ich hatten die Ehre, Moms Brautjungfern bei ihrem zweiten Gang zum Altar zu sein. Mom hatte für jede von uns ein Secondhandkleid ausgesucht. Vor Wochen schon war an uns Maß genommen worden, aber heute sollte das Geheimnis gelüftet werden. Denn Mom hatte sich geweigert, uns die Kleider vorher zu zeigen; sie wollte, dass es eine »lustige Überraschung« würd e – eine Formulierung, die Angst in mir weckte.
Ursprünglich hatte ich angeboten, die Kleider für sie zu entwerfen. Schließlich habe ich einen Abschluss in Modedesign. Doch Mom bestand auf ihrer kitschigen Vintage-Idee. Sie sagte, dieses Mal wollte sie Spaß habe n – offenbar war er bei ihrer ersten Hochzeit zu kurz gekommen.
Als sie das erste Mal vor den Altar getreten war, hatte Mom in einer spießigen Kirche geheiratet (die meine irisch-katholische Großmutter ausgesucht hatte), mit Eheversprechen auf Latein (worauf meine irisch-katholische Großmutter bestanden hatte) und einem uralten Priester, der die Zeremonie durchgeführt hatte (ein Freund meiner irisch-katholischen Großmutte r – erkennen Sie das Muster?). Vier Jahre später fand sich Mom als alleinerziehende Mutter einer Dreijährigen wieder (meine Wenigkeit), und Dad saß in einem Flugzeug nach Vegas, wo er, wie ich hörte, mit einem Showgirl names Lola zusammenzog.
Dieses Mal heiratete Mom so, wie sie wollte: mit einer standesamtlichen Trauung, einer Friedensrichterin, auf einer Klippe über dem Pazifik. Und lustigen Secondhandkleidern.
Ich machte gute Miene zum bösen Spiel.
»Du kommst doch zur Anprobe, nicht wahr?« Ich hörte die wachsende Panik in der Stimme meiner Mutter.
»Selbstverständlich. Ich bin gerade auf dem Weg. Ich, äh, stecke im Verkehr fest.« Ja, ich weiß, ich würde in die Hölle kommen, weil ich meine Mutter anlog.
Mom seufzte, und ich konnte beinahe sehen, wie sie die Augen gen Himmel rollte, als würde sie von da oben Gelassenheit erflehen. »Sieh einfach zu, dass du bald da bist, okay, Madds?«
»Ich bin auf dem Weg«, sagte ich. Dann fügte ich, um sie zu beruhigen, noch hinzu: »Jetzt aber wirklich.« Ich klappte das Telefon zu, bevor sie etwas erwidern konnte, und kippte den Rest meines Kaffees in einem einzigen zuckrigen Schluck hinunter. Ich frischte schnell noch mein Lipgloss auf, bevor ich in den Jeep sprang und schnurstracks zur 101 fuhr.
Zehn Minuten später umkreiste ich verzweifelt Bebes Brautmodengeschäft auf der Suche nach einem Parkplatz. Ich war bereits zweimal um den Block gefahre n – nichts. Nach einem Blick auf die Uhr parkte ich halb verkehrswidrig mit dem Heck in der roten Zone und hoffte, dass die Anprobe nicht lange dauern würde.
Mom wartete bereits im Eingang; ihre Augen funkelten böse unter dem blauen Lidschatten. Heute trug sie einen knöchellangen Jeansrock, Sportsocken und Turnschuhe und eine geblümte Rüschenbluse in der Farbe Pintobohnenbrei. Ich unterdrückte einen Schauder und ignorierte die leise innere Stimme, die mir sagte, ich hätte die Kleider doch selbst entwerfen sollen.
»Tut mir leid, dass ich zu spät bin.« Ich küsste Mom auf die Wange, worauf sie ein bisschen weniger böse guckte.
»Ich schwöre bei Gott, Maddie, wenn du zu meiner Hochzeit zu spät kommst, enterbe ich dich.«
»Mom!«, sagte ich in gespieltem Schrecken. »Ich komme doch nie zu spät.«
Sie kniff die Augen zusammen.
»Okay. Ich stelle mir zwei Wecker.«
Ich glaube, jetzt unterdrückte sie sogar ein Lächeln.
»Komm mit! Da hinten ist dein Kleid.«
Ich folgte Mom in den Anproberaum im hinteren Teil des Ladens. Für Hollywood war Bebes Brautmodengeschäft klein: Es hatte nur drei separate Anproberäume und einen Ausstellungsraum, in dem sechs Ständer mit langen, fließenden Brautkleidern hingen. Als wir hindurchgingen, sah ich weder nach rechts noch nach links. Ich war zwar keine dieser Frauen, die schon im Alter von fünf Jahren ihr Brautkleid aussuchten aber inmitten all dieser Schneiderkunst für den schönsten Tag im Leben kreischten meine Hormone wie eine Sechstklässlerin. Auf einem Ständer entdeckte ich ein Wang-Imitat, bei dem mein Herz höher schlug.
Wollte ich das auch? Eine Hochzeit? Als ich festgestellt hatte, dass ich spät dran war, waren mir zunächst ganz viele verrückte Gedanken durch den Kopf geschossen. Und zugegebenermaßen hatten einige davon von weißer Spitze und zarten Hochzeitsschleiern gehandelt. Aber damals hatte ich mir als Bräutigam einen erfolgreichen,
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