Splitterfasernackt
Schulter, und seine Hand streicht sanft über meine weiße Haut.
»Was machst du, wenn du nicht hier bist?«, fragt er.
Ich überlege einen Moment lang, ob ich ihm erzählen soll, dass ich Biologiestudentin bin und jedes Wochenende auf meinem schwarzen Pony »Lucky« durch den Grunewald reite und nichts lieber mache, als gemeinsam mit meinen besten Freundinnen Klara und Natalie chinesisches Essen zu kochen. Aber wenn man den ganzen Tag über irgendwelche Lügen erzählt, ist die Wahrheit manchmal genauso absurd. Also kann man sie auch ruhig verraten.
Ich erzähle Max von den Kindern, mit denen ich immer noch ab und zu arbeite, und vom Schreiben und davon, wie es sich anfühlt, umgeben von rauschenden Wörtern vor einem Laptop gefangen zu sein, und zu schreiben und zu schreiben, ohne aufzublicken, ohne zu merken, wie die Zeit dahinrast, wie es dunkel wird und dunkler, und dann wieder hell. Wie es ist, wenn nichts anderes auf der Welt einem so wichtig erscheint, wie die richtigen Worte zu finden, um ein Gefühl zu malen, ein Bild zu schreiben, einen Ausdruck so laut oder leise zu formulieren, dass er genauso zwischen den Zeilen hervortritt, dass er dort gehört wird, wo er bleiben möchte. Wie es ist, von Hoffnung zu erzählen, ohne dabei nach verflossenen Liebschaften zu klingen, einen Sonnenuntergang nicht mit den Farben Orange und Rot zu beschreiben, eine Träne nicht einfach nur salzig sein zu lassen und einen Augenblick, der nie wieder kommen wird, so zu umfassen, dass man ihn für immer sehen kann, auch wenn er gar nicht stattgefunden hat.
Max sieht mich an, als wäre ich ein andauerndes Wunder.
Ein Wunder. Ich.
Und von Dauer.
Was für ein herrlicher Witz.
»Meine Süße«, hat Lady einmal zu mir gesagt, als ich mit einem Verband um den Arm bei ihr zu Hause zum Kaffeetrinken ohne Kuchenessen aufgetaucht bin. »Meine Süße, sei verdammt noch mal gut zu dir. Du kannst dir nicht aussuchen, wie andere Menschen dich behandeln; aber wie du selbst mit dir umgehst, das liegt nur in deinen Händen. Also vermassele es ja nicht.«
Wenn ein Fremder dich ansieht. So als müsstest du es besser wissen, als du es weißt. Dann erinnerst du dich an solche Sätze. Und daran, wie wichtig es ist, ihre Bedeutung zu kennen.
»Felia, Lilly. Oder wer auch immer du bist«, sagt Max schließlich, »du gehörst nicht hierher. Und ich bin bestimmt nicht der Erste, der dir das sagt. Ich hätte dich so gerne woanders getroffen und auf eine andere Art kennengelernt. Denn neben dir fühle ich mich wie ein neuer Mensch, dein Lächeln, deine funkelnden Augen, ich weiß gar nicht, was du da gerade mit mir anstellst. Ich würde so gerne für immer bei dir bleiben.«
Max ist süß. Unglaublich süß. Und wenn
für immer
dreieinhalb Minuten wären, dann würde es vielleicht reichen. Aber Max trägt einen Ehering, und ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann. Ich hätte Max nichts zu geben, außerhalb dieser Rolle würde ich ihn nur enttäuschen.
Die Zeit mit ihm ist trotzdem schön, ich genieße es, bei ihm zu liegen, seiner ruhigen Stimme zu lauschen, einfach da zu sein und keinen Sex haben zu müssen.
Irgendwann geht schließlich die Musik aus, das Zeichen für mich, dass eine Stunde vorüber ist.
»Bleibst du noch länger bei mir?«, fragt Max.
Ich nicke und gebe ihm einen Kuss. Als Entschädigung. Denn irgendwie fühle ich mich schlecht, weil Max mich dafür bezahlen muss, dass ich mich nur mit ihm unterhalte. Ich will ihn nicht ausnutzen, ich habe ihm ja nicht einmal einen Orgasmus bereitet. Aber Max scheint das nicht zu stören.
»Du bist etwas Besonderes«, sagt er, »das ist es mir wert.«
Er streicht mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht, und seine Augen leuchten dabei. Da klopft es zögerlich an der Tür.
»Felia?«, ruft Marla leise.
»Alles okay«, rufe ich zurück, »wir bleiben noch eine Stunde länger.«
»Okay«, sagt Marla, und ich höre, wie ihre Schritte sich entfernen.
Aber kurz darauf kommen die Schritte wieder, und es klopft erneut.
»Wirklich alles okay bei dir?«, fragt Marla unsicher.
»Ja, danke, Marla«, rufe ich. »Es ist alles in Ordnung, ich komme gleich raus.«
»Lassen dir Zeit, ich nur lieber fragen wollten noch mal«, sagt Marla und dann höre ich, wie sie sich in Richtung Wohnzimmer entfernt.
Max drückt mir lächelnd das Geld in die Hand.
»Geh am besten erst mal zu deiner Freundin, damit sie sich keine Sorgen mehr machen muss. Sonst denkt sie noch, ich sei ein
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