Splitterfasernackt
hat einmal gesagt, dass Verzweiflung blühendes Unkraut auf einer frisch gefickten Seele ist«, überlege ich.
»Hm«, erwidert Chase. »Das klingt gut. Oh, warte, ich weiß noch was: Verzweiflung ist, wenn man eine Gummipuppe mit gefühlsechtem Noppenkondom fickt.«
»Oder es ist der Raum in und um meine Begrenzungen«, sage ich.
»Also alles?«, fragt Chase.
»Es gibt immer eine Ausnahme«, erwidere ich.
»Ja, ich weiß«, sagt Chase. »Und ich kann dir jetzt übrigens sagen, was Koks ist.«
»Das Ende von einem glanzvollen Spiel mit zu viel Geld und fremden Freunden?«, frage ich.
»Nein«, erwidert Chase. »Koks erlaubt es dir, während eines Gesprächs die Zeit in deinem Kopf zu manipulieren, so dass du den perfekten Satz sagen kannst, bevor du ihn überhaupt gedacht oder verstanden hast.«
Einen Moment lang schweigen wir beide.
Es ist selten, dass Chase mit mir über Drogen redet.
»Verzweiflung ist in Ohnmacht fallen, ohne dass man umkippt«, sage ich schließlich.
»Verzweiflung ist Ohnmacht, bei klarem Verstand«, ergänzt Chase.
»Verzweiflung ist ein monotoner Klang, der immer lauter wird.«
»Verzweiflung ist eine endlose Rolltreppe, die man in die falsche Richtung entlangläuft.«
»Wir sehen uns bald, oder?«, frage ich dann.
»Ja klar, ich rufe dich an«, sagt Chase und legt auf.
Vielleicht ist die beste Art von Verzweiflung eine schlichte und oberflächliche geistige Entgleisung. Wenn man den Verstand verliert wegen einer Nichtigkeit, wie einem zu kleinen Hintern oder zu breiten Hüften. Wenn man heult, weil die spitzen Knochen von einer milchigen Haut umgeben sind, die einen aussehen lässt wie eine Wasserleiche.
In einem Bordell zu arbeiten könnte man umgangssprachlich wahrscheinlich auch als
verzweifelt bumsen
bezeichnen. Denn Geld zieht klare Grenzen. Prostituierte sagen nicht: »Baby, ich bin heute erfüllt von Herzenswärme, komm lass uns aus Liebe ficken!«
Und wenn ein Kunde sagt: »Ich bin zum allerersten Mal in einem Bordell. Du bist die Erste, die ich frage, ob wir es auch ohne Gummi machen können. Ich komme ab jetzt nur noch zu dir, du bist die Traumfrau meines Lebens. Und ich schwöre: Das da an meinem Finger ist kein Ehering!« Dann wissen wir alle, dass er lügt, schon in dem Moment, in dem er seinen dummen, dummen Mund öffnet, oder spätestens dann, wenn Brittany anschließend sagt: »Ich kenne den Kunden, der gerade bei dir war. Das ist so ein Idiot! Er wollte es ständig ohne Gummi machen und hat mich als Traumgirl seines Lebens bezeichnet. Perverser Spinner! Zwischendurch hat auch noch seine Frau angerufen, und er ist mit ’nem Steifen durchs Zimmer gehüpft, weil er unbedingt an sein Handy gehen musste.«
Kundenkenntnis. Erfahrung am Mann. Ich erkenne einen falschen Namen schon an dem Klang seiner Stimme oder an der Art, wie er seine Gesichtszüge kontrolliert. Und ich berühre niemals einen Ehering, auch wenn er noch so achtlos auf einem Finger steckt. Aber ich höre aufmerksam zu, wenn ein Mann die Wahrheit zu mir sagt. Und ich bin nachdenklich, wenn jemand sagt: »Schon alleine, um dich durch diese Tür kommen zu sehen, um dieses wundervolle Lächeln auf deinem Gesicht geschenkt zu bekommen – schon allein darum lohnt sich der Weg hierher. Aber wie schaffst du es nur, so viel Zärtlichkeit in eine einzige Berührung zu legen?«
Ich würde es gerne verraten.
Wenn ich es wüsste.
Aber ich weiß es nicht.
Woher auch.
Dafür weiß ich, dass Sex im Tausch gegen Geld ein knallhartes und hässliches Geschäft ist. Man wird zu einem Produkt, einer Ware, die gehandelt werden muss. Es wird aussortiert, retuschiert, reduziert, gekauft, getauscht und ausgetestet. Es gibt schmutzige Geschäfte, saubere Verhandlungen, gefälschte Pässe und wertlose Garantien. Es werden Kautionen hinterlegt, aber es wird keine Haftung für eventuelle Beschädigungen übernommen.
Gute Tage, schlechte Tage, durchschnittliche Tage.
Wie erfolgreich man einen Schwanz vor seine Probleme schieben kann. Und wie erfolglos man als Kind einen Schwanz von sich wegschieben kann.
Am Ende steckt er mittendrin.
8
W ie kommst du mit deinem Schreibkram voran?«, fragt Lady, und ich halte mein Handy etwas weiter von meinem Ohr weg, weil Lady immer gerne etwas lauter redet als nötig.
»Ich habe ungefähr zweihundert Seiten fertig«, antworte ich und wühle im Mädchenzimmer zwischen den Kleidungsstücken herum, um meinen Pullover zu finden.
Lady lacht.
»Was ist daran so lustig?«, will
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