Splitterfasernackt
kann nur schwer irgendeine Art von Form annehmen, geschweige denn eine perfekte; aber fünfzig Euro als Zehn-Sekunden-Lohn nenne ich fair.
Das Verrückte an alldem ist, dass ich das Bordell vermisse, schon in dem Moment, in dem ich es verlasse, um nach Hause zu gehen. Die Atmosphäre, die Gelassenheit, beides fehlt mir augenblicklich.
Hätte mir vor einigen Monaten jemand gesagt: »Hey, Lilly, du wirst mal eine erfolgreiche, glückliche Nutte!«, ich hätte ihm eine Pfanne auf den Kopf geknallt.
Aber nun ist es so.
Das ist jetzt mein Leben.
Ich bin zwar nicht wirklich gesund und glücklich, aber gesünder und glücklicher als zuvor. Beim Gedanken an Sex dreht sich mir nicht mehr automatisch der Magen um, und ich kann einen Schwanz angucken, ohne vor Angst im Erdboden oder vor Übelkeit im Bad zu verschwinden. Ich hasse meinen Körper nicht mehr ganz so sehr, ich habe Sex trotz des monotonen Geflüsters in meinem Kopf, ich habe Männer um mich herum, ohne dass sich meine Seele ein weiteres Mal zerteilt und die Stimmen in meinem Kopf immer mehr und mehr werden.
Es ist merkwürdig, wie schnell man sich daran gewöhnt, auf diese Art sein Geld zu verdienen. Und man fängt doch tatsächlich an, sich Gedanken darüber zu machen, ob es genug ist. Dabei ist es mehr als zu viel. Außerdem ist es das falsche Geld – im Grunde genommen will es kein Mädchen haben. Aber wahrscheinlich gibt es nur in diesem Job Frauen, die mit achtzehn Jahren darüber nachdenken können, was für ein Haus sie sich in greifbarer Zukunft kaufen werden.
Das ist die Leichtigkeit des Nutteseins.
Mein Leben hat sich verändert, aber irgendwie auch nicht. Ich bin kein anderer Mensch geworden, nur weil ich mit ungezählten Männern Sex habe und dafür Geld kassiere. Meine Moral, das, woran ich glaube, die Dinge im Leben, die mir wichtig sind, das hat sich alles nicht verändert. Meine sexuellen Phantasien beschränken sich nach wie vor darauf, dass ich eines Tages mit einem Mann schlafen kann, ohne mir dabei vorstellen zu müssen, dass ich dazu gezwungen werde. Ich will einen Orgasmus haben, der mich umhaut, der die Welt zum Stehen bringt oder sie von mir aus auch gleich aus ihrer Umlaufbahn schleudert. Ich will mich fühlen. Mich und meinen Körper, und ich will begreifen, dass diese beiden Dinge zusammengehören.
Aber Sex ist immer noch etwas, das ich nicht verstehe. Manche Männer wollen mich nicht einmal berühren, sie gucken mir nur dabei zu, wie ich ein bisschen tanze und mit den Händen über meine Brustwarzen streiche, und schon kommen sie zu ihrem Höhepunkt. Nach zwei Minuten, ohne dass wir Körperkontakt hatten. Kann man sich da nicht einfach zu Hause einen Porno angucken und sich das Geld sparen? Was ist es, das Männer so verrückt nach Frauen macht? Ich würde jedenfalls nicht dafür bezahlen, bei mir zu sein. Ich glaube, ich würde eher dafür bezahlen, so schnell wie möglich, so weit es geht, von mir wegzukommen.
Manchmal habe ich den halben Tag lang Sex und bin trotzdem noch aufgewühlt. Denn auch wenn ich noch so umwerfend stöhne, wenn ich zuckersüß mit meinen Augen klimpere, wenn ich mich anmutig auf dem Bett rekele und wenn ich all meine Leidenschaft in einen einzigen Kuss lege, als wäre er der letzte, dann bin ich während des Sex doch nur eine gestohlene Phantasie. Ab und zu kribbelt es ein bisschen, und das war es auch schon.
Sogar beim Wäscheaufhängen habe ich mehr Gefühle.
»Du bist eigentlich genau das, was man als Arche bezeichnet – als die perfekte Hure«, sagt ein Kunde zu mir. »Ohne das jetzt abwertend oder böse zu meinen. Aber genau das, was du verkaufst, ist es, wonach Männer suchen. Du strahlst etwas aus, womit man nicht rechnet, wenn man sich eine Frau bucht. Du sagst genau die Sachen, die ein Mann hören will, und du schaffst es, sie ehrlich klingen zu lassen. Deine Berührungen sind so sanft, dass man sich wahrscheinlich auch noch mit einem fetten Bierbauch schön vorkommen kann. Mit dir hat man wundervollen Sex, aber man kann genauso gut einfach nur stundenlang neben dir im Bett liegen und reden, über alles das, was man sonst nicht von sich erzählen kann.«
Ich grübele.
Und grübele.
Wie ich es nur schaffe, meine Rolle zu spielen und Tag für Tag diese Maske von dem bemerkenswerten jungen Mädchen aufzusetzen, das mit einem Strahlen auf dem Gesicht so viele Männer verführt.
Felia, dieses mir unbekannte Wesen, das Männer dazu bringt zu sagen: »Du bist schön und dazu auch noch
Weitere Kostenlose Bücher