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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Friedenspfeife rauchte, aber bis vor ein paar Wochen hätte ich auch jeden für geisteskrank erklärt, der an die Existenz von Mahren glaubte.
    »Übrigens hockt vor eurer Tür ein schwarzer Kater. Ich geh dann mal. Ciao.«
    Weg war er. Tillmann hatte nicht beleidigt gewirkt, aber ich rief ihm dennoch schnell hinterher: »Ich finde es doch nicht merkwür­dig! Ehrlich nicht!«
    Ich wusste nicht, ob er es gehört hatte. Trotzdem hätte er mir ru­hig Gute Besserung wünschen können.
    Ein schwarzer Kater vor der Haustür - dann saß also Mister X auf dem Zuweg und hielt Krankenwache. Das letzte Mal hatte mich sein Anblick verstört, jetzt tröstete mich der Gedanke an seine pelzige Gegenwart.
    Meine Krankheit hatte meine drängenden Fragen und meinen Kummer bislang nicht ersticken können und sie würde es auch nicht. Das Fieber hielt mich wach. Mein Schlaf blieb oberflächlich, und wenn er mein Bewusstsein zwischendurch vollkommen aus­löschte, dann nur so kurz, dass ich es anschließend wieder, wenn auch mühsam, zusammenfügen konnte. Meistens endete das in ei­nem neuerlichen Fieberanfall, doch den nahm ich gerne in Kauf, solange meine Erinnerungen bei mir blieben.
    Ja, ich erinnerte mich wieder an Colin, an all das, was er und Papa mir über Halbblute, Mahre und Bluttaufen erzählt hatten, und an das, was zwischen uns gewesen war. Vor allem wusste ich wieder, was sie nicht erzählt hatten. Ich würde warten müssen, bis das Fie­ber abgeklungen und meine Male verheilt waren - das gab mir Zeit, nachzudenken und mich zu sammeln.
    Während ich gegen die Krankheit kämpfte, kämpfte mein Stolz gegen meine Sehnsucht - und gegen meine Neugierde. Ja, Colin hatte mich schon wieder ignoriert. Und dafür hatte er Schläge ver­dient. Mindestens. Trotzdem konnte ich nicht so tun, als wäre ich ihm nie begegnet. Das ging nicht mehr. Ich musste wenigstens he­rausfinden, was er war. Und wenn ich das wusste, würde ich viel­leicht auch wieder zu einem normalen Leben zurückkehren können. Irgendwie verstand ich jetzt, was Papa damit meinte, wenn er sagte, man müsse ab und zu krank werden, um sich zu erholen. Die Zeit war auf meiner Seite. Die Windpocken lenkten meine Eltern ab, vor allem meinen Vater, während ich neu geboren wurde.
    Ich musste nur warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war.
     

    Rebellion
     
    Zwei Wochen später war er gekommen - der richtige Zeitpunkt. Ich spürte es bereits, als ich morgens aufwachte, zum ersten Mal seit Langem nicht mit ausgedörrtem Mund oder schmerzendem Kopf. Ohne Vorankündigung war mein Kranksein über Nacht in einen durchaus erträglichen Gesamtzustand übergegangen.
    Ich stand sofort auf, riss alle Vorhänge zur Seite und blickte in ei­nen reinen silberblauen Morgenhimmel, an dem hoch oben die Schwalben kreisten und ihr schrilles Lied sangen. Ich zog mir eine Jeans und ein Shirt über und lief nach unten. Die Jeans schlackerte am Hintern; ich halte abgenommen, doch das war mir gleichgültig. Das Gras war noch taufrisch und benetzte kühl meine nackten Füße. Wie Mama stapfte ich durch den Garten und inspizierte die Beete, Blumen, Kräuter und all die bunten Sträucher, die sie gesetzt hatte. Ein Zitronenfalter flatterte vor mir her, drehte winzige Pirou­etten und torkelte wie betrunken durch die Luft.
    »Hallo, Elisabeth«, begrüßte Mama mich mit morgenmatter Stimme, als ich zurück ins Haus flüchtete, da mich das Sonnenlicht zu sehr geblendet hatte und ich keine neuen Kopfschmerzen ris­kieren wollte.
    Verschlafen wie immer saß sie in Pyjama und Bademantel am Frühstückstisch und schlürfte eine große Tasse Milchkaffee. Ob sie überhaupt noch tief und fest schlafen konnte, seit Papa angefallen worden war? Fand sie erst Ruhe, wenn der Morgen graute? Ich brannte darauf, mehr zu erfahren, aber derartige Fragen würden sie heute garantiert auf eine unwillkommene Fährte locken.
    »Guten Morgen«, erwiderte ich deshalb schlicht und schob ein paar Tiefkühlbrötchen in den Ofen. »Wo ist Papa?«
    »Kongress«, murmelte Mama. »Zugspitze. Heute früh schon los­gefahren.«
    »Ein Kongress auf der Zugspitze?« Das klang nach Licht und Son­ne. Ich wunderte mich. Von einem Kongress hatte ich nichts ge­wusst.
    »Hmhm«, machte Mama zwischen zwei Schlucken und blinzelte wie eine Eule. »Sie brauchen ihn wohl dort. Vortrag. Musste spon­tan fahren. Ist Montag wieder da.«
    Nun witterte ich tatsächlich Morgenluft. Papa hatte das Land ver­lassen. Sehr gut. Ihm konnte nichts

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