Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
Seite.
    »Und es war nicht derart berauschend, dass ich unbedingt Wert darauf lege, es sofort zu wiederholen.« Ja, so konnte man es stehen lassen. Es war nicht gelogen. An die Folgen dieses sexuellen Exkur­ses wollte ich jetzt nicht denken. Auch nicht an die übrigen Fum­melspielchen, die ich sowohl angezettelt als auch über mich hatte ergehen lassen, um mitreden zu können und gewisse Dinge hinter mich zu bringen. Emotionstechnisch gesehen betrachtete ich mich aber als Jungfrau, obwohl ich es rein medizinisch nicht mehr war.
    »Und du?«, fragte ich direkt, bevor Colin meine Worte vernich­tend kommentieren konnte.
    »Ellie, ich bin 158. Du glaubst doch nicht, dass ich 158 Jahre lang jungfräulich durch die Weltgeschichte marschiere. Ich bin kein Hei­liger.« Ich musste an Tessa denken. Für einen Moment durchbohrte mich die Eifersucht so heftig, dass ich wütend wurde. Falls Colin es registrierte, so ließ er sich nichts anmerken, sondern sprach unge­rührt weiter.
    »Eins kann ich dir sagen - mit den Jahrzehnten verliert die Sa­che ein wenig von ihrem Reiz. Wenn ich mit einer normalen Men­schenfrau schlafe, ist es uninteressant. Tue ich es mit einem Wesen, das ...« Er brach gedankenversunken ab. »Es kann jedenfalls ge­fährlich werden«, schloss er.
    »Gibt es irgendetwas bei dir, was nicht gefährlich wird?«, fragte ich bissig. Das Thema Liebe, Sex und Zärtlichkeit war ja nun vorerst abgehakt. Colin tat es, aber es reizte ihn nicht mehr. Mit Menschen­frauen war es uninteressant. Grandiose Voraussetzungen für mich, um als emotionale Jungfrau zu sterben. Ich konnte mir schon jetzt nicht mehr vorstellen, jemals einen anderen Mann so anziehend zu finden wie ihn. Andere Männer hatten Haare am Körper. Wer woll­te das schon?
    »Und da wären wir wieder beim Thema warme Haut«, sagte Colin zufrieden. »Ja, es gibt ungefährliche Dinge. Komm mit. Wir reiten aus.«
    Schon war er aufgestanden und zwängte sich barfuß in seine ver­wesenden Stiefel.
    »Wir - was?« Ich sprang ebenfalls auf. »Oh nein, das tun wir nicht. Du weißt genau, dass ich Angst vor Louis habe, und ...«
    »Gibt es irgendetwas bei dir, vor dem du nicht Angst hast?«, äffte er mich grinsend nach. Unbekümmert schob er mich vor sich die Treppe hinunter. Zusammen ausreiten. Genügte es nicht, sich nachts auf die Lauer legen zu müssen, Todesängste auszustehen und kurio­se Röchelanrufe entgegenzunehmen?
    »Ich habe Louis heute noch nicht bewegt. Der muss was tun.«
    Colin nahm die Trense vom Haken und trat ins Freie. Die Sonne war noch nicht völlig untergegangen, und sobald ihre schwinden­den Strahlen ihn trafen, verfärbten sich einzelne Haarsträhnen röt­lich. Auch die Punkte kehrten auf sein Gesicht zurück.
    »Kann ich nicht nebenherlaufen?«, fragte ich kläglich.
    »Mit Sicherheit nicht. Und wenn, solltest du dich dringend für die nächsten Olympischen Spiele melden. Stell dich nicht so an.« Er nahm mich an der Hand und zog mich hinter das Haus, wo Louis ihm prustend entgegentrabte. Ich versuchte, mich aus Colins Griff zu winden. Es war zwecklos. Und barfuß, wie ich war, brauchte ich auch gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, ihn zu treten. Colin wandte sich zu mir um und blickte mir tief in die Augen.
    »Meine liebe Ellie, Angst vor Nähe zu haben, ist die eine Sache. Aber das hier ist ein Pferd. Ein Fluchttier. Er hat kein Interesse da­ran, dir etwas anzutun, solange du ihm nichts tust. Ganz einfach.«
    »Haha«, knurrte ich verstimmt. Von wegen ganz einfach. »Außer­dem bin ich nicht deine liebe Ellie.«
    Colin musste mich loslassen, um Louis die Trense anzulegen. Ein Sattel war für ihn anscheinend überflüssiger Schnickschnack. Ich nutzte die kurze Freiheit und spurtete über den Hof zum Waldweg, der mich nach Hause leiten würde. Auf Schusters Rappen und auf nichts anderem, sosehr ich mich auch nach Colins haarloser Haut sehnte. Ich hörte ihn hinter mir einige Worte in diesem fremden Singsang vor sich hin raunen, den er schon mal benutzt hatte, als er sich über mich ärgerte. Aber nun klangen sie nicht ärgerlich, son­dern ungeduldig und zärtlich zugleich. Sprach er mit Louis oder galten sie mir?
    Ich hatte noch nicht einmal das schmiedeeiserne Tor erreicht, da spürte ich Louis’ heißen Atem in meinem verspannten Nacken. Co­lin pflückte mich mühelos vom Weg, um mich vor sich auf das Pferd zu setzen. Nachlässig griff er nach meinem rechten Bein und hob es auf die andere Seite der wippenden Mähne.

Weitere Kostenlose Bücher