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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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... so gelöst und friedvoll. Schüchtern fuhr ich mit den Fingerspitzen über seine Wange. Ich fühlte keine Bartstoppeln. Auch auf der Brust - nichts als seidige Haut. Doch an einer Stelle wuchs jedem Kerl ein kleines Fell - zumindest konnte man die Spuren die­ses Felles erahnen. Und vor mir lag nur Colins Körper, reglos und unbewohnt. Sein Geist war weit, weit weg. Mir konnte nichts ge­schehen. Mit der Fingerspitze hob ich den Hosenbund an und lugte darunter.
    »Keine Bange, an mir ist alles dran, was drangehört.«
    Ich fuhr zurück und blieb mit dem Ärmel an Colins schwerer Gürtelschnalle hängen. Hysterisch zerrte ich daran herum, bis ich mich endlich befreien konnte. Ich kippte hintenüber und rutschte unsanft auf den Holzboden. Auf den Knien wollte ich zur Tür krie­chen, doch Colins Hand erwischte mich am Bund meiner Jeans, be­vor ich fliehen konnte. Mit einem sanften Ruck zog er mich zurück aufs Bett. Seine Mundwinkel waren gekräuselt und seine grünbraun schillernden Augen sprühten vor Erheiterung.
    »Ich - äh ...« Mein Gesicht musste in Flammen stehen. Mir war so warm, dass meine Gedanken zu schmelzen begannen. Mein Herz hatte sich in glühende Lava verwandelt. Wie hatte ich ihn nur so - so befingern können? Erst heimlich beobachten, dann heimlich begrapschen. Ich sprang auf, doch er zog mich erneut zu sich herunter, bevor ich zum Stehen kam. Ein weiteres Mal plumpste ich neben ihm aufs Bett. Hastig begann ich zu sprechen.
    »Das im Wald - Colin, das wollte ich nicht, ehrlich, ich wusste nicht, was er vorhatte, es tut mir leid. Und das hier - äh. Das hast du falsch verstanden.«
    Amüsiert zog er die Augenbrauen hoch und schob einen Arm unter seinen Kopf. Mit dem anderen hielt er immer noch meine Gürtelschlaufe fest. Ich war gefangen.
    »Hab ich nicht«, sagte er ruhig und die Lava in meinem Herzen entschloss sich zu einem spontanen Vulkanausbruch.
    »Ich bin nicht so eine«, rief ich verzweifelt. »Ich wollte nur gu­cken, ob ... also ...« Ja, was wollte ich eigentlich gucken? Ob er
    Haare unter dem Bauchnabel hat? Und zwar ziemlich weit südlich des Bauchnabels?
    »Ich wüsste gerne, was für ein Enthaarungsmittel du benutzt, denn das möchte ich auch haben«, brachte ich schließlich trotzig hervor. Das war immerhin nicht vollständig gelogen.
    Colin warf lachend den Kopf in den Nacken. Eine seiner Haar­strähnen schlang sich fröhlich um den Zipfel des Kopfkissens. Miss­gelaunt starrte Mister X Colin an. Doch es dauerte eine Weile, bis der sich beruhigte. Währenddessen saß ich unverändert rot glühend neben ihm und griff schließlich resolut nach seinen Hemdschößen, um dieser frappierenden Nacktheit ein Ende zu bereiten.
    »So«, sagte ich und knöpfte zu, was zuzuknöpfen ging. Es war nicht viel. »Kleiderordnung wiederhergestellt.«
    Erneut fing Colin an zu lachen, schaute mir dabei aber unverhoh­len in die Augen. Schön, dass er sich so prächtig amüsierte. Ich musste jedenfalls zusehen, dass ich langsam wieder anfing zu atmen. Sonst würde er mich an Ort und Stelle wiederbeleben müssen.
    Doch nun ebbte sein Lachen ab. Sein Gesicht verdüsterte sich.
    »Keine Enthaarungscreme. Das ist naturgegeben. Wer ist dieser rothaarige Knabe?«, fragte er unvermittelt und richtete sich auf.
    »Bist du - verärgert?« Bevor ich ihm mehr über Tillmann erzähl­te, wollte ich sichergehen, dass mir keine Gefahr drohte.
    »Nein. Aber ich habe mich gewundert. Das schon.«
    Verwunderung - das war in Ordnung. Wegen Verwunderung brachte man niemanden um.
    Ich seufzte erleichtert auf. »Aber warum kam Mister X dann nicht mehr zu mir? Nachdem er auf einmal wegblieb, war ich mir sicher, du bist stinksauer auf mich ...«
    Als habe Mister X seinen Namen erkannt, setzte er sich auf und zog einen Katzenbuckel. Er sah lädiert aus. Colin schaute ihn mit­fühlend an.
    »Ich musste den armen Kerl kastrieren lassen. Er fing an, gegen meinen Bauernschrank zu markieren. Es tat mir in der Seele weh, aber ich hänge an diesem Schrank.«
    Mister X erhob sich schwerfällig und stakste wie ein betrunkener Seemann über das Bett. Beleidigt verzog er sich hinter die Kom­mode.
    »Er kämpft noch mit der Narkose. Deshalb haben wir uns ein bisschen ausgeruht.«
    »Ausgeruht ...«, wiederholte ich. »Warst du eben - warst du die ganze Zeit hier?«
    »Wo soll ich denn bitte sonst gewesen sein?«, fragte Colin grin­send.
    »Na, du hast gesagt, dass du dich aus dir selbst entfernen kannst«, verteidigte ich

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