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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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einflö­ßende Rettungsvariante. Ein Hubschrauber oder ein Wasserflugzeug wären mir lieber gewesen.
    Darüber hinaus stellte ich mir einen Retter ein wenig gesprächiger und freundlicher vor. Strahlender. Verbindlicher. Mit mehr natürli­cher Freude am Retten. Obwohl mich der Fremde unvermindert nah bei sich hielt, ohne mir dabei wehzutun, hatte ich den Eindruck, ein unliebsames Stück Gepäck zu sein, das nun mal wohl oder übel getragen, aber bei der nächsten Gelegenheit schnellstmöglich abge­geben werden musste.
    Letzteres tat er recht unsanft. Der Regen hatte sich inzwischen in ein gleichmäßiges, weiches Nieseln verwandelt. Überall aus dem Dickicht stiegen Dunstschwaden auf und ich konnte dabei zusehen, wie der Bach abschwoll.
    Sogar der Pfad trat wieder zum Vorschein und verbreiterte sich mit jeder Biegung. Ab und zu grollte es noch hinter uns - doch im Vergleich zu den Donnerschlägen, die zuvor mein Trommelfell er­schüttert hatten, klang das Grummeln beinahe freundlich.
    Mit einer minimalen Handbewegung und fast unmerklichen Ge­wichtsverlagerung lenkte der Mann (oder war es ein Junge?) sein Pferd die Böschung hoch und setzte mich schneller auf dem Boden der Tatsachen ab, als mir lieb war.
    »Autsch!«, entfuhr es mir, als meine nackte Ferse auf einen spitzen Stein prallte. Ich sah reichlich bescheuert aus mit meiner verbliebe­nen, hoffnungslos ruinierten Sandale (Riemchen kaputt, Absatz weggeknickt) und meinem anderen bloßen Fuß. Weiß und schmal hob er sich von dem grünbraunen Waldboden ab. Meine rosa la­ckierten Zehennägel wirkten deplatziert zwischen den Schlamm­spritzern und Kratzern, die sich bis hoch über den Knöchel zogen. Aber ich hatte nicht viel Zeit, mich damit zu beschäftigen oder mich gar bei meinem teuflischen Retter zu bedanken.
    Ich erhaschte nicht einmal einen Blick auf sein Gesicht. Er wandte sich in dem Moment ab, als ich zu ihm nach oben schaute. Alles, was ich erkennen konnte, waren dunkle, vorwitzige Haarspitzen unter einer Baseballkappe, eine schlanke Gestalt und lange Beine. Er thronte so lässig und selbstverständlich auf dem Rücken des schnaubenden Ungeheuers, als sei er mit seinem Pferd verwachsen.
    »In Zukunft öfter mal nach oben schauen«, sagte er schroff und preschte ohne einen Gruß oder ein Zeichen davon, um meiner Welt ernüchternd elegant und schwerelos durch eine gigantische Nebel­schwade zu entrücken.
    »Ja, danke auch und schönen Tag noch«, rief ich ihm giftig hin­terher.
    Das geborgene, beruhigende Gefühl, gerettet worden zu sein, war weitgehend verschwunden, zusammen mit dem Unwetter, dessen dunkle Wolken einem lieblichen Abendlicht Platz gemacht hatten. Ein schmeichelndes Blau verwandelte den Wald in ein Frühlings­märchen, das betörend nach nassem Gras und Blüten duftete.
    Die untergehende Sonne bahnte sich einen Weg durch die Baum­wipfel und schaffte es, Wärme durch den Dunst zu schicken. Ich erschauerte. Immer noch spürte ich den festen Griff des Reiters an meinem Bauch und meine nackten Unterschenkel kribbelten von der ungewohnten Berührung mit dem Leib des Pferdes.
    Wenn ich mich richtig erinnerte, war er ohne Sattel geritten. Ohne Sattel durch tosende Unwetter galoppieren - sah so die Freizeit­beschäftigung der Hinterwäldler aus?
    Doch das war kein Hinterwäldler gewesen. Er hatte einen merk­würdigen Akzent gehabt, kaum hörbar und sehr fein, aber er war da gewesen. Und es war mit Sicherheit kein hiesiger Dialekt.
    Dazu diese Stimme - wenn es aristokratische, edle Stimmen gab, dann war seine ein Musterbeispiel. Tief und rein und melodisch. Etwas mehr Freundlichkeit hätte ihr allerdings gutgetan. Stattdessen hatte sie unglaublich arrogant geklungen.
    In Zukunft öfter mal nach oben schauen. Hahaha. Sehr witzig.
    Leider musste ich zugeben, dass er recht hatte. Die ganze Auf­regung wäre nicht nötig gewesen, wenn ich ab und zu einen prüfen­den Blick auf den Himmel geworfen hätte. Und das ärgerte mich doppelt und dreifach. Von diesem Zorn konnte mich selbst die idyl­lische Abendstimmung nicht ablenken. Ich war nur froh, dass der Regen versiegt und es nicht mehr ganz so kalt war. Denn die Wärme in meinem Inneren verglomm mit jedem Schritt, der mich nach Hause führte.
    Meine lieben Eltern saßen mit leuchtenden Augen im dämmrigen Wintergarten - allein. Die Schnittchenplatte war noch fast voll, doch die Nachbarn hatten offensichtlich das Weite gesucht.
    »Ach, Ellie, da bist du ja«, sagte Mama beiläufig, als sie

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