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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Baby drehte langsam seinen Kopf und blickte das Kätzchen an. Sein geschwungener Mund verzog sich zu einem Lächeln, das mir einen Schauer über den Nacken jagte. Dieses Lächeln war so direkt, so wissend und erkennend wie das eines Erwachsenen. Sanft schmiegte die Katze ihr Köpfchen an die Wange des Babys, um sich dann wärmend an seinen kleinen, reglosen Leib zu kuscheln, und die Traumbilder entließen mich in die tiefschwarze, bedeutungslose Dunkelheit.
    Der Vogel am Waldrand schrie die ganze Nacht.
     
     
Zickenterror
     
    Am nächsten Tag führten Mama und Papa mich zum Abendessen aus - in die einzige Gastwirtschaft von Kaulenfeld. Ich war so stumm von der Schule zurückgekommen, dass Mama wohl den Be­schluss fasste, mir etwas Gutes zu tun.
    Ich willigte ein, denn ich hatte nichts Besseres zu tun, und im Mo­ment ging es mir nur noch darum, irgendwie den Abend hinter mich zu bringen, und wenn es sein musste, dann eben mit meinen Eltern. Doch schon auf dem kurzen Weg hinunter zum Hotel konn­ten sich meine Gedanken kaum von meinen neuerlichen Schulkatastrophen lösen. Da nützte es auch nicht viel, dass Mama und Papa keinen noch so unglücklichen Versuch unterließen, mich aufzuhei­tern und abzulenken.
    Denn der Vormittag war ein Albtraum gewesen. In der Pause hat­te es geregnet, und weil ich dringend allein sein wollte und meine schmerzenden Muskeln - eine Erinnerung an meine Waldexkur­sion vom Vorabend - das Stehen zur Tortur machten, schloss ich mich im Mädchenklo ein, setzte mich mit ausgestreckten Beinen auf den umgeklappten Toilettendeckel und lehnte meinen Hinter­kopf an die kalten Kacheln. Schön still war es hier. Nur gedämpft hörte ich das Prasseln des Regens.
    Der Spaziergänger hatte recht gehabt. Dem Gewitter war nachts eine Kaltfront gefolgt und nun war es wieder so kühl wie bei unserer Ankunft. Erstaunlicherweise hatte ich mich nicht wie erhofft
    erkältet. Nicht einmal einen Schnupfen hatte ich. Kein Kratzen im Hals, gar nichts. Dabei wäre eine Lungenentzündung genau das Richtige gewesen, um die Umzugseuphorie meiner Eltern ein wenig zu dämpfen.
    Hier, in meinem muffigen Toilettenrefugium, wollte ich mich endlich konzentriert an meinen feindseligen Retter hoch zu Ross erinnern. Doch kaum hatte ich meine Augen geschlossen, zerfledderten die Bilder in meinem Kopf, als wolle mir mein Gehirn einen Riegel vorschieben. Ich versuchte es stur ein weiteres Mal. Gewitter. Regen. Der reißende Bach. Der Reiter.
    Dann war es schlagartig vorbei mit der Ruhe in meinem Kloasyl. Die Tür wurde aufgerissen und mehrere klappernde Absätze ließen meine Schläfen unangenehm pulsieren. Ich hatte zwar nachts wie ein Stein geschlafen, fühlte mich aber trotzdem heillos übermüdet. Papa meinte, es läge an der frischen, guten Landluft, die wir nicht gewöhnt seien. Mama, selbst mehr tot als lebendig, hatte mich prü­fend von der Seite angesehen, als ich so sehr gähnen musste, dass ich kaum an meinem Kaffee nippen konnte. Ob sie ahnte, dass ich mich in dem Gewitter beinahe selbst hingerichtet hatte? Doch als ich ih­ren Blick erwiderte, lächelte sie mir nur verschlafen zu.
    Auch jetzt musste ich gähnen, presste meine Kiefer aber fest auf­einander, um besser hören zu können. Ich sortierte drei Mädchen­stimmen, die aufgeregt durcheinanderschnatterten. Ihre hellen Stimmen vibrierten in meinen Ohren. Das Wort »Französischtest« fiel. Oh. Musste mein Kurs sein. Wir waren in der Stunde zuvor ge­prüft worden - eine Lappalie. Ich lauschte angestrengt, ob auch Maike dabei war. Maike war der einzige Lichtblick dieses Vormit­tags gewesen. Sie hatte mich zu sich an den Tisch gewunken - »Hier ist noch ein Platz frei« - und sorglos auf mich eingeplappert. Nicht ein einziges Mal fragte sie nach Köln oder warum ich hier war.
    Eigentlich fragte sie nichts - oder sie wartete die Antwort gar nicht erst ab. Aber ihre gute Laune hatte mich ein wenig beruhigt und ich brachte sogar ein paar vernünftige Sätze zustande. Immer­hin gab es nun einen Kurs, in dem ich nicht ganz alleine saß. Ja, das war Maike - ich erkannte ihre leicht raue und doch so mädchen­hafte Stimme. Den anderen beiden Stimmen konnte ich keine Ge­sichter zuordnen. Aber gehört hatte ich sie schon.
    »Hast du gesehen, wie schnell die Neue geschrieben hat?«, fragte das eine Mädchen belustigt. »Wie heißt die noch mal?«
    »Ellie«, sagte Maike schnell. »Elisabeth Sturm. Aber sie wird wohl Ellie genannt.« Danke, Maike.
    »Elisabeth

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