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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Sturm«, tönte es spöttisch von der anderen Seite. »Was für ein Name. So altmodisch. Na ja. Kein Wunder, dass sie sich zu schade für uns ist. Sie guckt uns ja nicht mal an.«
    »Benni hat gemeint, sie will hier nur ihr Abi machen und sonst nichts. Das hat sie wohl zu ihm gesagt. Ich meine, sie kommt aus Köln - was will man dann hier?«
    Wie wahr, dachte ich verbissen und merkte, dass sich mein Na­cken anspannte. Nur klang es bei ihren Worten so, als sei das »Hier« toll und Köln ein bemitleidenswertes Pflaster.
    »So, mit Benni redet sie. Na, sieh mal einer an. Ich sag dir eins, Maike, wenn die sich an Benni ranschmeißen will, dann kriegt sie es mit mir zu tun. Sie braucht nicht zu glauben, dass sie ihn krallen kann, nur weil sie aus der Großstadt kommt.« Okay, nun wusste ich, wer da sprach. Die schwarzhaarige Schneewittchenschönheit mit den X-Beinen. Lotte hieß sie, aber ich nannte sie im Geiste nur die schwarze Lola. Ihre giftigen Blicke hatten mich schon am ersten Tag verfolgt. Maike kicherte leise.
    »Ich finde sie seltsam«, sagte das andere Mädchen nachdenklich. »Zieht sich an wie ein Model, aber ist total verkrampft.«
    »Die ist nicht verkrampft, sondern arrogant«, erwiderte die schwarze Lola.
    »Ich glaube nicht, dass sie das ist«, widersprach Maike.
    »Nicht?«, fragten die anderen im Chor.
    Kurzes Schweigen. Ich hielt die Luft an. Merkten die blöden Wei­ber nicht, dass hier die ganze Zeit jemand in der Kabine einge­schlossen war?
    »Vielleicht ist sie nur unsicher«, mutmaßte Maike nachdenklich. Oh Gott, Maike. Ich verspürte eine plötzliche Sympathie für ihre vielen Sommersprossen und ihre Stupsnase. Trotzdem machte sie es nur schlimmer. Lieber wollte ich arrogant wirken als unsicher.
    »Die ist nicht unsicher«, plärrte die unbekannte Stimme. War das womöglich Nadine? Das Mädchen mit der großen Oberweite? »Sieh dir doch an, wie die läuft und sich bewegt. Die denkt, sie wäre was Besseres. Hat wohl reiche Eltern. Ihr Vater ist Leiter der Nervenklinik.«
    Nervenklinik ... Das hatte man vielleicht im vergangenen Jahr­hundert so gesagt. Mühsam unterdrückte ich ein Schnauben. Als die schwarze Lola albern kicherte und ein bedeutungsvolles »Na dann« quiekte, riss mir der Geduldsfaden. Ich klappte den Riegel herum und schlug mit einem gezielten Fußtritt die Tür auf. Es schepperte laut. Die drei Grazien zuckten synchron zusammen. Lola atmete vor Schreck eine schwarze Haarsträhne ein.
    »Achtung, hier ist die Bekloppte aus der Großstadt«, zischte ich und rauschte an ihnen vorbei. »Hallo, Maike«, setzte ich etwas mil­der hinterher. Immerhin - sie war fair gewesen.
    »Mensch, Ellie!« Sie stürzte hinter mir her. »Warum machst du so was?«
    Ich schwieg und biss mir auf die Lippen.
    »Die kriegen ja noch Angst vor dir«, sagte sie vorwurfsvoll.
    »Sie haben gelästert. Sie haben es nicht anders verdient«, brumm­te ich wütend.
    »Sorry, Ellie, aber das war kein Lästern. Wir haben nur geredet.
    Das ist doch normal. Wir haben nichts Böses gesagt. Ich erst recht nicht. Kommst du mit zum Kiosk? Ich brauche Schokolade.«
    »Ich auch. Dringend«, sagte ich knapp.
    »Siehst du«, grinste Maike.
    »Siehst du?«, fragte Mama.
    »Was?«, rief ich verwirrt und hob blinzelnd den Kopf.
    »Da, schau, das war mal die alte Poststation, hier haben früher die Kutschen gehalten.«
    Ich starrte auf das Efeugestrüpp vor mir, unter dem sich eine Wand mit verblichenem Fachwerkgebälk und einige schwere, rosti­ge Haken verbargen.
    »Schön«, antwortete ich mechanisch und gestattete es, dass Mama und Papa mich durch die offene Tür in die Gaststube schoben. Ohne nach rechts oder links zu schauen, steuerte ich zielstrebig den verstecktesten Tisch in der hintersten Ecke an und setzte mich, be­vor Mama und Papa es sich anders überlegen konnten. Hier würde mich niemand anstarren. Ganz anders als in der Schule, wo die viel großzügigeren Klassensäle und meine mager besetzten Leistungs­kurse jedes Verstecken unmöglich machten.
    Den Rest des Vormittags hatte ich leider ohne Maike überstehen müssen. Ich verbrachte ihn damit, meine Bücher zu einem Schutzwall aufzustapeln und darüber nachzudenken, ob es einen Ausweg aus dieser Situation gab. Was ich hier innerhalb von zwei Tagen ver­bockt hatte, würde sich kaum mehr gutmachen lassen. Doch wenn jemand über den Beruf meines Vaters spottete, sah ich rot. Papa half Menschen, denen es schlecht ging. Und wenn das so weiterlief, wür­de ich

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