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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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echote Mama irritiert. Papa pustete sich mit offenem Mund eine Locke aus der Stirn.
    »Ja, DVD - Halbblut, mit Val Kilmer. Oh Mama, den haben wir doch erst vor Kurzem zusammen gesehen. Weißt du nicht mehr? Indianer, Cops, illegaler Uranabbau, Wounded Knee?«
    »Ach Gott, ja, natürlich«, stieß Mama erleichtert hervor und brach in ein kurzes, zu hohes Lachen aus. Ich aber war schon wieder dabei, die Kiste zu durchforsten. Akten, nichts als Akten.
    »Ich kann den Film bei mir nicht finden, irgendwo muss er doch sein«, murmelte ich und grapschte nach dem nächsten Karton.
    »Ach, Ellie, ich hab da was Besseres«, sagte Papa, griff hinter sich ins Bücherregal und zog eine originalverpackte DVD-Box hervor. Er drückte sie mir in die Hand.
    » Frasier . Die erste Staffel.«
    Mein Grinsen war echt. Und das war gut. Ich liebte Frasier tat­sächlich. Papa und ich hatten ganze Winterabende damit verbracht, uns über Frasier und vor allem über Niles zu amüsieren. Dieser Sit­com verzieh ich sogar das eingespielte amerikanische Konserven­gelächter.
    »Wow«, seufzte ich. »Cool.«
    »Ich würde ja am liebsten mitgucken, aber ...« Etwas zu künstlich wies Mama auf die Kartons. Sie lächelte mich selig an. Von ihr hatte ich mein Schauspieltalent jedenfalls nicht geerbt.
    »Ich wollte sie dir eigentlich zum Geburtstag schenken. Na ja. Hast du sie eben jetzt schon.« Papa grinste versöhnlich.
    »Okay, danke, ich geh dann mal rüber«, erwiderte ich gedanken­versunken und begann schon auf dem Weg zum Wohnzimmer in dem Booklet zu blättern. Ich legte die erste DVD ein, stellte den Fernseher an und kicherte an den unpassendsten Stellen. Denn meine Ohren waren allein bei Mama und Papa. Noch immer mach­ten sie sich an den Kartons zu schaffen.
    Um Mitternacht gab ich vorerst auf und verzog mich nach oben. Ich würde warten müssen. Mein Bluff hatte funktioniert, nun konn­ten die Nachforschungen beginnen. Das Wort Halbblut hatte eine bombastische Wirkung erzielt. Ich sah ihre erschrockenen Gesichter noch immer lebhaft vor mir. Es war also etwas dran an der Halb­blutsache. Colin war kein Verrückter. Doch ich musste Beweise  fin­den, um Papa zur Rede stellen zu können. Wie gut, dass ich das Wort Halbblut vor ihm noch nicht erwähnt hatte ... Nur deshalb hatten sie mir das mit der DVD geglaubt.
    Mitternacht war lange vorüber, als endlich Ruhe einkehrte. Ich wartete noch eine halbe Stunde, dann schlich ich in Papas Büro und tastete mich, ohne Licht zu machen, zu den beiden verschnürten Kisten, die Mama unter den Schreibtisch geschoben hatte. Nun wa­ren die Schnüre zerschnitten und ein Karton war leer. Doch in dem anderen befanden sich noch einige wenige Dinge. Ich lud ihn mir auf die Unterarme und tapste schwankend zurück nach oben. Dort wartete ich mit angehaltenem Atem, ob sich unten irgendetwas tat. Aber es blieb ruhig. Ich setzte mich auf den Boden und zog die Kis­te zu mir heran. Sie enthielt zwei Fotoalben, eine lederne, zerlesene Kladde und einen Aktenordner mit Unterlagen. Ich nahm die Klad­de in die Hand. Ein Foto flatterte heraus - nein, kein Foto. Ein Ul­traschallbild. Ich betrachtete es genauer. Viel sehen konnte man nicht; jede Menge Grau und Schwarz und in der Mitte ein kleines Würmchen mit unverhältnismäßig großem Kopf. Datum: 17. März 1991. Das war ich! Ich als winziger Embryo.
    Ich schlug die Kladde auf. Es war ein Kalender von 1991. Seiten­weise kein einziger Eintrag - doch dann zwei Wörter in Papas schwungvoller, charakteristischer Schrift: Start Karibikkreuzfahrt
    »Karibik«, überlegte ich laut. Ja, ich erinnerte mich daran, dass Papa früher öfter als Schiffsarzt gearbeitet und dort Entspannungs­seminare für gestresste Snobs veranstaltet hatte. Auf diesen Reisen hatte er auch die farbenfrohen kubanischen Gemälde gekauft, die bei uns im Hausflur hingen. Aber in der Karibik war es hell und warm. Wieso war mir das früher nie aufgefallen? Das passte nicht zu ihm. Papa liebte es kalt und finster und zugig.
    Ich fing an zu blättern. An den ersten Tagen hatte Papa Belang­losigkeiten festgehalten - Wetter, Seegang, ein paar Notizen zu den
    Krankheitsbildern der Passagiere. Dann, nach ein paar leeren Blät­tern, war Papas Schrift plötzlich krakelig und viel zu groß. Neugierig entzifferte ich seine unruhigen Zeilen.
    »2. April 1991. Was passiert da mit mir? Die Wunden eitern nicht. Aber ich habe 42 Grad Fieber, dabei weder Durst noch Hunger. Was war das nur für ein - Ding?«
    Ich

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