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Splitterherz

Titel: Splitterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Haus.
    Schon traten zwei Gestalten auf die dunkle Straße - Mama und Papa. Geistesgegenwärtig löschte ich das Licht und kauerte mich auf die Fensterbank. Mama drehte sich um und schaute zu mir hoch. Ich hielt die Luft an. Doch wenn die Gesetze der Physik funk­tionierten, hatte sie mich nicht sehen können. Mama wandte sich wieder Papa zu. Ich atmete leise aus.
    »Schläft sie?«, fragte sie gedämpft. Die Fahrer des Lkws öffneten die Ladeklappe und das Klappern der Scharniere übertönte Papas Antwort.
    »Scheiße«, fluchte ich lautlos. Bitte redet weiter. Der Krach ver­stummte kurz.
    »Meinst du, sie war bei ihm? Heute Nacht?«, hörte ich Mama. Ich lauschte so konzentriert, dass ich nicht einmal zu schlucken wagte.
    »Wennschon«, drang Papas Stimme leise durch die frühe Nacht. »Er wird ihr ohnehin nicht die Wahrheit erzählt haben.«
    Zwei Männer begannen Kisten ins Haus zu tragen. Es waren nicht viele, vielleicht zehn Stück. Papa verfolgte ihr Tun aufmerksam, blieb aber mit Mama draußen stehen. Doch ihr Gespräch ging im Getrampel der Packer und dem Knarzen der Ladefläche unter. Erst als die Männer ins Haus marschierten, schwebten erneut Wortfet­zen zu mir hoch.
    »Und er war wirklich einer - von ihnen?«, fragte Mama mit einem Schaudern in der Stimme. Ich lehnte meinen Kopf noch ein Stück­chen weiter über die Fensterbank, aber die Packer hatten alle Kisten ins Haus getragen und baten Papa um eine Unterschrift. Sobald sie den Motor anwarfen und davontuckerten, war jedes weitere Lau­schen ein Ding der Unmöglichkeit. Nur wenige Sekunden nachdem der Lkw um die Ecke gebogen war, verschwanden Mama und Papa zurück ins Haus.
    Einer von ihnen. Angestrengt rieb ich mir über die Augen. Ich war so erschöpft, dass ich sie für einige Momente schließen musste. Ei­ner von ihnen - das konnte alles bedeuten. Mama benutzte diese Redewendung gerne für Papas besonders kranke Patienten. Jene hoffnungslosen Fälle, zu denen er manchmal mitten in der Nacht eilen musste oder die ihn stundenlang ans Telefon fesselten, weil sie wieder mit aller Macht aus dem Leben scheiden wollten.
    Aber was waren das für Kisten? Warum eine Lieferung zu Unzei­ten? Der Wagen hatte ausgesehen wie ein Geldtransporter, mit ex­tradicken Wänden und doppelt gesicherter Ladeklappe. Diese Kis­ten mussten wichtig sein. Waren es vielleicht Unterlagen aus dem Büro? Oder gar ...?
    Nun, wenn ich es herausfinden wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als einen Überraschungsangriff zu wagen. Ich musste sie eis­kalt erwischen und genau beobachten, wie sie reagierten. Was hatte Colin gesagt? Ich sei eine gute Schauspielerin. Dann musste ich das jetzt unter Beweis stellen.
    Ohne mir Mühe zu geben, leise zu sein, stiefelte ich die Treppe hinunter und direkt dem unterdrückten Räumen und Karton schie­ben entgegen. Mama und Papa hingen in dem Büro meines Vaters inmitten der Kartons auf den Knien, zwischen ihnen Teppich­schneider, zusammengeknülltes Papier und Paketband. Erstaunt blickten sie zu mir hoch. Mama klappte den offenen Deckel der Kiste neben ihr unauffällig wieder herunter.
    »Ah, gut«, sagte ich, kniete mich dazu und öffnete die nächstgele­gene Kiste. Sie war voller Aktenordner. Ich spürte, dass Mama und Papa sich einen Blick zuwarfen.
    »Elisabeth, was machst du da?«, fragte Papa argwöhnisch.
    Leicht genervt sah ich ihn an, um gleich darauf den nächsten Kar­ton zu mir zu ziehen. Wieder nur Aktenordner. Erneut hob ich mei­ne Augen.
    »Ich such die Halbblut-Kiste.«
    »Was?«, riefen Mama und Papa gleichzeitig. Papa hatte sich als Erster wieder im Griff und brachte ein schnelles Lächeln irgendwo zwischen Drohung und Verbindlichkeit zustande. Währenddessen schob Mama hektisch zwei verschnürte Kartons unter Papas Schreibtisch.
    »Na, Halbblut«, sagte ich noch einmal. Mamas Augen weiteten sich. Nervös wickelte sie sich ein Stück Kordel um die Finger - so fest, dass die Haut dazwischen rot hervorquoll. Papa räusperte sich.
    »Ihr benehmt euch ein wenig seltsam, finde ich«, sagte ich und schaute sie zweifelnd an. »Ist irgendwas passiert?«
    Mama schluckte.
    »Nein, nein«, sagte sie atemlos. »Alles - okay.«
    Papa sah sie an, schüttelte fast unmerklich, aber warnend den Kopf und lenkte seinen Blick wieder auf mich. Ich blinzelte beleidigt zurück.
    »Also, wenn ich schon Hausarrest habe, dann werde ich ja wohl wenigstens noch eine DVD gucken dürfen«, motzte ich und schob die Unterlippe nach vorn.
    »DVD?«,

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