Splitterndes Glas - Kriminalroman
…«
Sie hob eine leere Flasche vom Boden auf und schlug sie fest auf die Tischkante. Das Glas zersplitterte, Leute schrien auf, und zwei Sicherheitsleute in Anzügen drängten sich durch die Menge auf sie zu.
»Hören Sie«, sagte Scarman und drehte sich zu ihnen um. »Ich bringe das in Ordnung. Es ist nichts. Alles unter Kontrolle.«
Der größere der beiden Sicherheitsleute überging ihn, als wäre er nicht da. Der andere hob Natalie mir nichts, dir nichts in die Höhe, während ihr das Blut von der Hand tropfte, die sie sich an den Mund hielt, und trug sie durch die Menge zur Tür.
»Mist«, sagte Lesley leise zu sich selbst. »So ein Mist.«
Sie griff nach ihrem Rekorder und ihrer Tasche und folgte Natalie.
10
»Du sollst die Nachrichten präsentieren«, sagte Alan Pike, »nicht die Nachricht sein.«
»Hör mal, Alan …«
»Nichts mit ›hör mal‹. Man lässt dich mit so einer mediengeilen Tussi auf die Stadt los, und einen Augenblick später ist es wie in Bagdad.«
»Ja, gut, übertreib ruhig ein bisschen, warum nicht?«
|127| »Also, wie gefällt dir das? Eine Besucherin des Clubs, ein achtzehnjähriges Mädchen, hat ein Stück rumfliegendes Glas in ihr linkes Auge bekommen. Sie könnte erblinden!«
»Das tut mir leid.«
»Sie droht damit, deine Freundin Natalie, die Besitzer des Clubs und jeden, der ihr sonst noch einfällt, zu verklagen.«
»Du meinst, ihre Versicherung droht damit.«
»Ist doch egal. Natalie dagegen hat die Nacht in Haft verbracht, und der letzte Stand ist, dass die Polizei noch nicht entschieden hat, ob Anklage erhoben werden soll.«
»Mir scheint«, sagte Lesley, »du solltest dich nicht beklagen, sondern froh sein, dass ich da war.«
Pikes Gesichtsausdruck sagte etwas anderes.
Lesley ging zur Tür. »Ein Einspieler für die nächsten Nachrichten ist schon fertig.«
»Wo willst du jetzt schon wieder hin?«
Lesley sah auf ihre Uhr. »Mit ein bisschen Glück erwische ich Natalie, wenn sie aus der Zelle geschmissen wird.«
Natürlich war es der reinste Zirkus. Presse, Lokalfernsehen und Radio: Lesley erkannte Mel Mast und ein paar Freiberufliche, die für die Überregionalen arbeiteten; Fotografen spähten lustvoll an ihren langen Objektiven entlang, Kameramänner hielten Zigaretten in der hohlen Hand und federleichte Geräte in Bereitschaft. Dazu Gaffer und Sensationslustige. Lesley wusste nicht genau, wer inzwischen Scarmans Kontakt in der zentralen Polizeidienststelle war, aber bestimmt gab es da jemanden. Und deshalb ließ sie sich nicht täuschen, als oben auf der Treppe eine große schmale Gestalt mit Begleitschutz erschien: den Kragen des Ledermantels hochgeschlagen, dunkle Sonnenbrille und tief in die Stirn gezogener Hut.
|128| Die Action war woanders.
Sie ließ die Masse ihrer Leidensgenossen, die den Lockvogel atemlos verfolgten, zurück und rannte um die Ecke zu der Ausfahrt für Kraftfahrzeuge auf der South Sherwood Street, wo sie gerade rechtzeitig ankam, um Scarmans Audi durchs Tor fahren zu sehen. Natalie kauerte vermutlich auf dem Rücksitz.
Sie legte noch etwas Tempo zu, postierte sich auf dem Bordstein und blockierte den Wagen. Natürlich wollte Scarman keine allgemeine Aufmerksamkeit erregen, indem er auf die Hupe drückte, und deshalb ließ er das Fenster runter.
»Lesley, verdammte Scheiße …«
»Zehn Minuten, mehr will ich nicht. Fünfzehn.«
»Mein Gott!«
»Komm schon. Sie muss ja mit jemandem sprechen. Lass sie zuerst mit mir reden.«
Missmutig griff Scarman zur Beifahrertür hinüber, und Lesley sprang in den Wagen. Einen Augenblick später waren sie auf dem Weg, gerade als den ersten Reportern klar wurde, dass man sie reingelegt hatte, und sie an der Straßenecke auftauchten.
Scarman hatte in der Nähe der Autobahn zwei Zimmer in einem Billighotel genommen. Lesley stellte sich vor, dass hier hauptsächlich kleine Beamte der Wasserbehörde und Vertreter für Chirurgiebedarf abstiegen. Hinter sechs Fahrspuren erhoben sich bedrohliche dunkle Wolken über dem Kraftwerk von Ratcliffe-on-Soar.
Fröhlich musterte Lesley die Ausstattung. »Das letzte Mal habe ich so viele Plastikblumen auf einmal gesehen, als ich sechzehn war. Damals machten wir Ferien in Schottland und stiegen in B&Bs ab.«
|129| »Das sind die Gelegenheiten«, sagte Scarman, »bei denen ich mich erinnere, wie anstrengend das Zusammenleben mit dir war.«
Natalie hatte immer noch nichts gesagt. Sie saß mit untergeschobenen Beinen auf dem einzigen
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