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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gewohnt hatte. Sie sahen den kommenden Stunden nicht gerade mit großer Begeisterung entgegen. Schließlich hatten sie beide an den anfänglichen Befragungen der Nachbarn teilgenommen und bezweifelten, dass ein erneutes Klopfen an denselben Türen und das Stellen derselben Fragen mehr ans Licht bringen würde als verwunderte Blicke – gepaart mit Verärgerung, wenn sie |182| die Leute mitten in der aktuellen Folge von ›Countdown‹ störten.
    Dazu kam, dass Milne einen geprellten Zeh hatte, nachdem er am vergangenen Sonntagmorgen für die Mannschaft seiner Stammkneipe angetreten war. Seine Verletzung war das Ergebnis einer letzten verzweifelten Grätsche, die der Schiedsrichter als Blutgrätsche einstufte, weil Milne den Mann erwischt hatte, aber nicht den Ball, sodass er als Lohn für seine Mühe prompt die rote Karte gezeigt bekam.
    Slater dagegen, für den Fußball ein Spiel war, das im Wesentlichen von überbezahlten Versagern gespielt wurde, die sich mehr für ihre äußere Erscheinung als für echte körperliche Anstrengung oder Sportlichkeit interessierten, war Trainer für das ostenglische Schwimmteam der unter Sechzehnjährigen und fand sich oft zu unchristlichen Morgenstunden am Pool ein, wo er den einen oder anderen seiner Schützlinge zu noch größeren Leistungen beim Rückenschwimmen oder Butterfly antrieb.
    Beide Männer waren zufällig mit Krankenschwestern des Addenbrooke’s Hospital verlobt, und obgleich jedes Gespräch über Sport zwangsläufig kurz und spannungsgeladen war, fanden sie immer ein gemeinsames Thema, wenn sie Hypotheken für Jungverheiratete und die besten Orte für den unvermeidlichen Junggesellenabschied erörterten, wobei Milne im Augenblick Dublin favorisierte und Slater zwischen Tallin und Barcelona hin- und hergerissen war.
    »Hast du nicht auch manchmal das Gefühl«, sagte Milne und blieb an der Ecke stehen, um seinen Fuß zu schonen, »dass wir den ganzen Kram nur der Form halber abziehen?«
    »Damit gewisse Leute das Gesicht wahren, meinst du?«
    »Bei diesem Fall hat Grayson doch völlig die Peilung verloren.«
    |183| »Den haben sie garantiert von oben zur Schnecke gemacht. Der muss zeigen, dass er was tut.«
    »Ich finde ja«, sagte Milne, als er seinen Schuh vorsichtig auszog, »Typen wie der sollten an den Ergebnissen gemessen werden wie Fußballtrainer. Wenn du zu oft verlierst, bist du raus. Wie Souness bei Newcastle und Megson bei Forest. Die haben das natürlich kommen sehen, alle beide. Haben ’n Gesicht gemacht wie ’ne saure Apfelsine. Grayson is’ auch so. Der einzige Unterschied is’, er wird nicht an die Luft gesetzt, sondern wahrscheinlich nach oben befördert, damit er keinen Schaden mehr anrichten kann.«
    Slater widersprach. »Ich find diesen Grayson gar nicht so schlimm. Im Gegensatz zu den meisten anderen is’ das einer, der dich wenigstens nicht wie Luft behandelt. Und was die Ergebnisse betrifft, seine letzten beiden Fälle – die Leiche von dem Studenten im Fluss und die Geschichte im Parkhaus   –, das waren zwei Festnahmen, zwei Verurteilungen. Da gibt’s nix zu meckern.«
    »Ja, vielleicht.« Milnes Zeh, nicht der kleine, sondern der daneben, war auf die doppelte Größe angeschwollen.
    »Du solltest zur Notaufnahme gehen«, sagte Slater. »Könnte gebrochen sein.«
    Milne schüttelte den Kopf. »Jennie hat sich das heut’ Morgen angeschaut. Ist ’ne Prellung, meint sie, sonst nix. Ich nehm weiter Ibuprofen. Und wenn ich zu Hause bin, leg ich eine Tüte gefrorene Erbsen drauf.«
    Slater sah auf die Uhr. »Lass uns mal die beiden nächsten Straßen abklappern. Dann können wir ’ne Pause machen.«
    Milne verzog das Gesicht, als er den Schuh vorsichtig wieder anzog.
    Die ersten drei Personen, mit denen sie sprachen, hatten überhaupt nichts gesehen oder gehört – echt die drei weisen Affen, wie Milne sich ausdrückte; dann folgten zwei |184| Häuser, bei denen niemand an die Tür kam; bei einem Paar, das erst vor wenigen Tagen eingezogen war, steckte anscheinend ein Schrank auf der Treppe fest.
    Als der Mann vorschlug, Milne und Slater könnten reinkommen und ihnen zur Hand gehen, sahen sie ihn ungläubig an.
    »Die reine Zeitverschwendung«, murrte Milne, als sie wieder auf dem Bürgersteig standen.
    Ohne es laut auszusprechen, fand Slater, er habe vermutlich recht.
    Das nächste Haus hatte frische grüne Farbe an den Fenstern und blaue an der Tür; in dem kleinen Vorgarten kamen Schneeglöckchen und ein paar grüne Narzissentriebe

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