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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Minderjährigen, die Sex haben. Ich spreche von Privatsphäre. Von dem verdammten Mangel an Privatsphäre. Von dem Recht eines Menschen auf die Unverletzlichkeit seines eigenen Lebens, seines eigenen Zuhauses. Fotografen, wohin man sieht. Sensationspresse. Überwachungskameras. Big Brother.« Er schnaubte. »Nicht dass ich was für den Kerl übrighätte, der sich das ausgedacht hat – George Orwell   –, das war nämlich so’n Sonntagssozialist. Der hat im piekfeinen Hampstead gewohnt und am Wochenende seiner Mutter die Wäsche zum Waschen gebracht. Hat nicht einen einzigen Tag in seinem Leben richtig gearbeitet. Aber ich sage Ihnen, wenn er heute noch lebte und sähe, was aus diesem Land geworden ist, würde er wegen dem ganzen Scheiß ’n Anfall kriegen.«
    Er warf den Kopf zurück und lachte.
    »Sehen Sie«, sagte er zu Helen. »Ich mach es schon wieder. Fluche, was das Zeug hält. Hab einfach zu viel Zeit auf Baustellen verbracht. Hat sich festgesetzt. War nicht so gemeint.«
    »Hab den Scheiß auch nicht so verstanden«, sagte Helen mit unbewegtem Gesicht.
    Prince lachte noch ein bisschen mehr. »Das gefällt mir, eine Frau mit Eiern, die keinen Schiss hat, zu sagen, was sie denkt.«
    »Erklären Sie mir nur eines«, sagte Will und brachte das Gespräch zum Thema zurück, »als Bryan auf Ihren Warnbrief hin nicht von seinen Recherchen abgelassen hat, welche weiteren Schritte haben Sie da unternommen?«
    »Schritte? Was für Schritte? Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    |180| »Vielleicht haben Sie ihn angerufen?«
    »Einen Scheiß habe ich!«, sagte Prince mit einem energischen Kopfschütteln. »Das Letzte, was ich getan hätte.«
    »Möglicherweise haben Sie jemand anderen damit beauftragt, in Ihrem Namen zu telefonieren?«
    »Hören Sie, hören Sie.« Prince breitete seine Hände aus, die Handflächen nach oben. »Er hat mich belästigt, durch Briefe, Anrufe, Faxe, E-Mails , ist mir auf den Sack gegangen, das ist ganz klar. Also habe ich ihn ignoriert, abgewehrt. Mehr wollte ich nicht. Und Schluss. Inzwischen, klar, ist der arme Kerl gestorben. Ermordet worden. Keiner will das, keiner applaudiert. Aber nichts wird ihn zurückbringen. Nicht dieses Gerede. Das Beste, was passieren kann – und Sie wissen das besser als ich   –, ist, dass der Täter gefasst wird. Das ist Ihre Aufgabe, richtig? Und nicht, dass Sie hier sitzen und mich bedrängen.«
    Ein Kopfnicken in Anstruthers Richtung.
    »Aber warum haben Sie das Bedürfnis«, sagte Will, »Ihre Familie, die Familie Ihrer Frau so umfassend zu schützen?«
    Prince funkelte ihn an. »Das will ich Ihnen sagen. Zum einen ist sie genau das –
meine
Familie. Altmodisch, wenn Sie wollen, aber so denke ich. So wurde ich erzogen. Und zum anderen – ich weiß nicht, warum ich Ihnen das erzähle, aber ich tu’s trotzdem – ist meine Frau Lily nicht immer so stark, wie sie sein könnte. Sie ist eine zerbrechliche Persönlichkeit, wie der Laie sagen würde. Musste lange Zeit ärztlich betreut werden. Ich will nicht, dass man sie aus der Bahn wirft, dass sie noch verstörter wird. Und ich will auch nicht, dass Leute über sie und ihren Zustand schreiben.« Er hatte sich zu Will hinübergebeugt, und jetzt richtete er sich auf. »In Ordnung? Zufrieden? Jetzt ist es Zeit für mich, zu gehen. Zeit ist Geld, was?«
    Für einen Mann mittleren Alters kam er sehr flink auf die |181| Füße. Schnell schüttelte er Anstruthers Hand, nickte Will und Helen zu und war verschwunden.
    »Ich denke, Sie werden nicht wieder mit meinem Mandanten sprechen müssen«, sagte Anstruther liebenswürdig.
    »Wenn doch«, sagte Will, »lassen wir Sie das wissen.«
     
    Sobald sie draußen waren, griff Helen nach ihren Zigaretten. »Also, was meinst du?«, sagte sie. »Glaubst du ihm?«
    »Dass er seine Familie schützen will? Ja.«
    »Und der Rest?«
    »Im Zweifelsfall will ich ihm gern glauben. Vorerst.«
    »Und wo bleiben wir?«, fragte Helen. »Bis zum Hals in du weißt schon, was?«
    »Nicht unbedingt. Ich sehe mal, ob wir nicht ein paar Uniformierte bekommen können, die Bryans Nachbarn ein weiteres Mal befragen. Vielleicht erinnert sich doch noch jemand an etwas, man weiß ja nie.«
    Zusammen machten sie sich auf den Weg zurück ins Büro, der Himmel über ihnen wie eine blasse Eierschale, die weder Gutes noch Böses verhieß.

16
    Zwei Beamte in Uniform, Barrie Slater und Ashley Milne, wurden auf die Straßen in der Gegend geschickt, in der der verstorbene Stephen Bryan

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