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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kopf bis Fuß schwarz angezogen und lauter Farbe an den Fingern. Das macht sie nämlich. Malen. Sie ist Künstlerin. War sie wenigstens. Weiß nicht, was sie jetzt macht. Wenn überhaupt was.«
    »Und sie ist Stellas Schwester?«
    »Ihre ältere Schwester, ja.«
    »Lebt sie denn noch?«
    »Soweit ich weiß.«
    »Glaubst du, sie würde mit mir reden?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube, sie redet mit niemandem.«
    Lesley erkannte, dass nichts zu gewinnen war, wenn sie Natalie noch weiter bedrängte.
    »Vielleicht fällt dir noch jemand ein?«, fragte sie. »Jemand, der mir auf die Sprünge helfen könnte.«
    Am anderen Ende des Raumes verursachte ein Kleinkind trotz des halbherzigen Protests seiner Mutter das reinste Chaos zwischen den Tischen, während zwei etwas ältere Kinder laut kreischten, als sie zwischen dem Eingang des Cafés und der Theke Fangen spielten. Das reichte, um jeden eventuell noch vorhandenen Kinderwunsch in Lesley zu ersticken. Ihre Mutter hatte sowieso schon fast die Hoffnung aufgegeben.
    »Da war dieser eine Typ«, sagte Natalie. »Er kam vorbei, als ich bei Orlando zum Abendessen war   …«
    »Orlando?«
    |174| »Orlando Rocca, der Regisseur. Er hat ein Haus am Ladbroke Grove, schon seit Jahren. Das war völlig runtergekommen, als er es kaufte. War seit Ewigkeiten besetzt gewesen, und am Ende kamen die Gerichtsvollzieher mit der Polizei und warfen die Besetzer raus. Und da hat Orlando zugegriffen. Muss inzwischen ein Vermögen wert sein.«
    »Dort hast du jemanden getroffen«, gab Lesley ihr das Stichwort.
    »Ja. Gordon Irgendwas. Gordon   … Gordon   … Gordon Hedden. Das ist es. Orlando hatte ihn eingeladen. Wir wollten über ›Splitterndes Glas‹ reden. Das war vor ein paar Jahren.«
    »Warum gerade er? Hedden? Was hatte er damit zu tun?«
    »Er war dabei. Bei dem Film. Er war der Kameramann.«
    »Und wann war das? 1955? ’56?
    »Bin mir nicht sicher. ’55, glaube ich.«
    »Dann muss er inzwischen ganz schön alt sein?«
    »Achtzig oder so? Aber trotzdem noch fit im Oberstübchen. Er brauchte ’nen Stock zum Laufen, klar, aber er trug ’ne total coole Kappe und konnte endlos über Objektive und Belichtungszeiten und Rückprojektionen und allen möglichen Scheiß quatschen. Nach ’ner Weile hab ich ausgeblendet, weil er und Orlando voll losgelegt haben. Total die Technikfreaks. Verblüffend.«
    »Was ist mit Stella? Konnte er was über sie erzählen?«
    »Nee. Aber daran war Orlando auch gar nicht interessiert.«
    »Aber er könnte es vielleicht?«
    Natalie legte den Kopf auf die Seite. »Vielleicht.«
    »Du weißt wahrscheinlich nicht, wie ich mich mit ihm in Verbindung setzen kann, oder?«
    »Nein. Aber Orlando könnte das wissen.«
    »Hast du seine Nummer?«
    |175| Natalie wühlte bereits in ihrer Handtasche.
    Als sie draußen auf der Straße standen, sah Leslie, dass Natalies gelbe Jeans wadenlang waren und dass sie rosa Ballerinas an den Füßen trug. Sie selbst kam sich plötzlich trutschig und alt vor.
    »Komm mit«, sagte Natalie und ging los.
    »Wohin?«
    »Ach, nur ’n bisschen Bewegung.« Sie lächelte. »Gehört zu dieser ganzen gesunden Ernährung.«
    Auf dem Primrose Hill sahen sie von oben die Voliere aus Stahldraht im Londoner Zoo und auch den zylindrischen Fernsehturm am anderen Ende des Regent’s Parks. Weiter entfernt in östlicher Richtung konnte man einen Blick auf das Shell Building am Ufer der Themse und auf das langsam kreisende Rad des London Eye erhaschen.
    Natalie nahm ihr Handy und rief Orlando Rocca an.
    »Meldet sich nicht. Ich versuch’s später noch mal. Keine Angst, du kannst dich auf mich verlassen. Er trifft sich mit dir, wenn ich ihn nett frage.« Ein spitzbübisches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Du musst bloß aufpassen, das ist alles.«
    »Was soll das heißen?«
    Natalie lachte. »Ich hab nämlich seine Biografie gelesen. Irgendeine Hollywood-Schauspielerin, ich weiß nicht mehr, welche, hat gesagt, dass Filmregisseure dir auf jeden Fall das Kleid ausziehen. Entweder, um dich zu vögeln, oder weil sie es selber anziehen wollen.«
    »Zu welcher Sorte gehört Orlando?«
    »Wenn man ihn lässt, zu beiden, würde ich sagen.«

|176| 15
    Anstruther meldete sich schneller wieder bei Will als gedacht. Howard Prince würde am nächsten Morgen um elf Uhr in der Kanzlei sein, und dann könnten sie alle ungeklärten Fragen erörtern.
    Will beschloss, sich entsprechend zu kleiden, und bat Lorraine, eines seiner neuen blauen Baumwollhemden zu

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