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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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bügeln, aber dieses und jenes kam ihr dazwischen, und am Ende machte er es selbst: ein Schnelldurchlauf für Kragen, Vorderseite und Ärmel – die Rückseite würde niemand sehen.
    Als er gerade gehen wollte, kletterte Jake mit schmutzigen Turnschuhen auf ihm herum, und er musste die Kleiderbürste und ein feuchtes Tuch nehmen, um die Matschflecken wegzukriegen.
    »Hübscher Anzug«, sagte Helen, als sie ihn sah. »Nur der Schlips ist grottig.«
    »Was hast du daran auszusetzen?«
    »Komm her«, sagte sie. »Ich bring das in Ordnung. Keiner trägt mehr Knoten in dieser Größe. Ausgenommen Zweitliga-Fußballer auf der Pirsch.«
    Will grinste. »Du kennst dich wohl aus.«
    »Schön wär’s.«
    Helen löste die Krawatte, band sie mit einem kleineren, schickeren Knoten neu, richtete seinen Hemdkragen und trat zurück, um die Wirkung zu begutachten.
    »Siehst du. Das ist besser.«
    »Dackelst du heute Morgen mit?«
    Helen bedachte ihn mit einem verschmitzten Blick. »Das mache ich also? Mitdackeln?«
    »Wenn du dich nicht um meine Garderobe kümmerst.«
    »O Meister, in diesem Fall ist es mir ein Vergnügen. Falls |177| einer deiner Schnürsenkel aufgeht oder du Schwierigkeiten mit dem Reißverschluss kriegst.«
    »In Wirklichkeit habe ich Knöpfe an der Hose.«
    »Ach, du süßer altmodischer Kerl.« Helen öffnete die Lippen und ließ ihn ganz kurz ihre Zunge sehen.
     
    Anstruther übernahm die Vorstellung und setzte sich dann zurück, aufrecht und hellwach. Howard Prince schüttelte Will die Hand und dann Helen, wobei sein Blick ein wenig länger auf ihr ruhte als notwendig, dann machte er es sich wieder auf dem Stuhl neben Anstruthers Schreibtisch bequem.
    Prince war Mitte fünfzig, schätzte Helen, oder älter, hätte aber für jünger durchgehen können. Sein Haar war voll und vor kurzem ordentlich geschnitten worden; an den Schläfen wurde es ein wenig grau, aber das verlieh ihm lediglich eine gewisse Würde. Seine Augen waren braun, fast wie Kastanien, und lebendig. Sie spürte sie noch einmal anerkennend über ihren Körper gleiten. Sein leichter grauer Anzug saß elegant auf einem Körper, der keine nennenswerten Schwächen verriet.
    »Quentin sagt, dass Sie ein paar Fragen haben«, sagte Prince. Er sah jetzt zu Will, fixierte ihn mit seinem Blick.
    »Soweit ich weiß«, sagte Will geschäftsmäßig, »hat Stephen Bryan sich einige Male mit Ihnen in Verbindung gesetzt wegen eines Buches, an dem er arbeitete. Es handelte sich um eine Biografie von Stella Leonard, der Tante Ihrer Frau.«
    »Ist das von Interesse für die Polizei?«
    »Da Mr Bryan gestorben ist, ja.«
    »Davon habe ich gehört. Es tut mir leid.« Sein Ausdruck blieb unverändert. »Aber es erklärt immer noch nicht, warum wir hier sind.«
    |178| Der Kerl würde auf seiner eigenen Beerdigung jeden rauswerfen, der in Tränen ausbricht, dachte Helen.
    »Sie haben Mr Bryans Bitten um ein Gespräch strikt abgelehnt.«
    »Ist das inzwischen ein Verbrechen? Eine Straftat?«
    »Natürlich nicht.«
    Prince wandte den Kopf in Anstruthers Richtung und lächelte. »So oft, wie sie heutzutage die Gesetze ändern, würde mich das nicht wundern. Dieses ist verboten, jenes ist verboten. Alles muss politisch korrekt sein. Wenn sie sich noch mehr verbiegen, können sie sich bald selbst in den Arsch kriechen.«
    »Als Mr Bryan hartnäckig blieb«, sagte Will, seinerseits hartnäckig, »ließen Sie ihm durch Mr Anstruther hier einen Anwaltsbrief schicken.«
    »Ein Schuss vor den Bug«, sagte Prince.
    »Und als das nicht funktionierte?«
    »Hat es denn nicht funktioniert?«
    »Offenbar hat es ihn nicht von seinen Recherchen abgehalten.«
    »Von den Recherchen in meiner Familie schon.«
    »Und das wollten Sie erreichen?«, fragte Helen.
    »Was glauben Sie denn? So ein schwuler Wissenschaftler macht Leute nervös, stellt Fragen, möchte gern Ihre Schubladen durchwühlen. Wer kann das gebrauchen?«
    Die Natur seines Blicks war unmissverständlich, die Lüsternheit in seinen Augen unverhüllt. Helen hielt seinem Blick noch einen Moment stand, bevor sie wegsah.
    »Was bringt Sie zu der Annahme, dass er Leute nervös gemacht hätte?«, fragte Will.
    »Was für ’ne blöde Frage ist denn das?«
    »Ich weiß nicht. Sagen Sie es mir.«
    »Hören Sie.« Prince stieß seinen Arm mit ausgestrecktem |179| Zeigefinger nach vorn. »Sie wollen wissen, was mit dieser Welt nicht stimmt? Mit unserer Welt? Ich spreche nicht von Drogen, ich spreche nicht von Kampftrinken oder

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