Splitterwelten 01 - Zeichen
feige Mord darf nicht ungesühnt bleiben.«
»Darin stimmen wir überein«, versicherte sie. »Aber ich werde meine Nase nicht in Angelegenheiten stecken, die mich nichts angehen.«
»Die Euch nichts angehen?« Er sah sie verwundert an. »Eure Meisterin ist tot!«
»Und ich trauere um sie«, versicherte Kalliope. »Aber wir wollen nicht vergessen, dass sie bereits die zweite Gildeschwester ist, die auf Jordråk gewaltsam zu Tode gekommen ist. Wenn ich also am Leben bleiben will, sollte ich ihre Fehler vermeiden und mich ruhig verhalten, bis Verstärkung von Ethera eingetroffen ist.«
»Das kann Wochen dauern«, wandte Erik ein. »Bis dahin sind alle Spuren verwischt und der Täter verschwunden.«
»Das glaube ich kaum«, entgegnete Kalliope, »denn wie es aussieht, bin ich wohl die einzige Levitatin auf diesem Weltensplitter – und damit dürfte für den Mörder wohl jede Möglichkeit entfallen, von hier zu entkommen.«
»Das ist wahr«, gab Erik widerstrebend zu. »Es ist nur … Ich möchte Euch helfen.«
»Das weiß ich sehr zu schätzen. Aber du hilfst mir am besten, indem du dich von mir fernhältst. Wenn meine Mitschwestern eintreffen, werden sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach in Begleitung eines königlichen legatus legis befinden. Er wird sich der Sache annehmen, besser und wirkungsvoller, als ich es je könnte – und wer auch immer der Mörder ist, wird dann für seine Verbrechen bezahlen.«
»Eine Ermittlung durch einen Legaten des Königs könnte für Jordråk das Ende der Freiheit bedeuten«, wandte Erik ein.
»Vermutlich«, gab sie zu, »doch das zu verhindern, steht nicht mehr in meiner Macht.«
»Ihr könntet es verhindern, indem Ihr den Täter sucht und findet. Wäre er bereits gefasst, wenn Eure Mitschwestern eintreffen, gäbe es für sie nichts mehr zu tun.«
Kalliope schaute ihm prüfend ins Gesicht. »Worum geht es dir vor allem? Um meine Meisterin oder um das Wohl deiner Heimatwelt?«
»Beides«, gestand er ohne Zögern ein. »Ich will, dass der Mörder Eurer Meisterin gefunden und bestraft wird. Aber ich will auch nicht, dass Jordråk der Gerichtsbarkeit eines Königs unterstellt wird, der weit weg ist und seinen Fuß noch niemals auf diese Welt gesetzt hat.«
» Du willst das nicht?« Sie musterte ihn vom blonden Haarschopf bis hinab zu den ledernen Stiefeln. »Für einen Diener bist du ziemlich anmaßend.«
»Wir alle dienen auf die eine oder andere Weise«, entgegnete Erik und straffte seine athletische Gestalt. »Dennoch sind wir frei.«
Einen Augenblick lang dachte sie über seine Worte nach. Zu ihrer eigenen Verblüffung kostete es sie eine gewisse Überwindung, sich abzuwenden. Noch mehr jedoch überraschten sie die Tränen, die ihr plötzlich in die Augen stiegen. Sie entfernte sich rasch, damit er es nicht sehen konnte, gefolgt von den beiden Wachen.
»Denkt über meine Worte nach, Gildeschülerin!«, rief er ihr nach. »Ihr mögt Euch in Eurer Kammer verstecken, Eurer Verantwortung jedoch entkommt Ihr nicht! Ihr müsst den Mörder Eurer Meisterin finden, das seid Ihr ihr schuldig!«
Kalliope blieb weder stehen noch wandte sie sich um. Sie tat, als prallten die Worte wirkungslos von ihr ab – dabei traf jedes einzelne sie bis ins Mark.
Innerlich aufgewühlt und mit den Tränen kämpfend, kehrte sie in die Festung zurück und schlug den Weg zu ihrem Quartier ein. Einerseits wusste sie, dass Erik recht hatte und es im Sinn ihrer Meisterin gewesen wäre, wenn die Wahrheit ans Licht kam – andererseits hatte sie noch Cedaras letzte Worte im Ohr.
Der Diener hat uns belogen …
Was, wenn sie Erik gemeint hatte? Hatte Cedara ihr womöglich etwas über den Täter zu sagen versucht? Je länger Kalliope darüber nachdachte, desto verwirrter wurde sie, und desto stärker reifte in ihr die Überzeugung, dass sie niemandem auf diesem eisig kalten Weltensplitter vertrauen konnte.
Niemandem als sich selbst.
»Verzeiht, Gildeschülerin«, riss eine schnarrende Stimme sie aus ihren Gedanken.
»Was ist denn noch?« Sie blieb stehen und wandte sich um. Es war Hakkit, der oberste Diener des Fürsten. Schwerfällig und mit watschelndem Gang kam der Walrossmann auf sie zu.
»Nur auf ein Wort«, bat er dabei.
»Schön, aber beeil dich«, forderte sie ihn auf und atmete tief durch, um sich wieder zu fassen. »Mich verlangt nach der Stille meiner Kammer.«
»Das verstehe ich«, versicherte der Diener beflissen, »und ich bedaure sehr, was geschehen ist.«
»Jeder hier scheint
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