Splitterwelten 01 - Zeichen
die Wahrheit ans Licht zu bringen.«
»Ich bin Euch dankbar, Gildemeisterin, das müsst Ihr mir glauben. Aber jene neuen Dekrete …« Er wedelte mit der linken Hand, auf einen Stapel vorgefertigter Schriftstücke deutend, die auf einem Tisch neben dem Thron bereitlagen und nur darauf zu warten schienen, mit dem königlichen Siegel versehen und somit rechtskräftig zu werden.
»Die neuen Dekrete sind unabdingbar, wenn Ihr die Krone auf Eurem Haupt noch länger aufbehalten wollt«, stellte Harona unmissverständlich klar. »Die Gilde ist bereit, Euch bei der Bekämpfung von Lüge und Verrat an Eurem Hof beizustehen, mein König – aber Ihr müsst das Eure dazu beitragen, sonst werden alle unsere Bemühungen vergeblich sein. Die neuen Gesetze müssen nicht nur auf Tridentia gelten, sondern auch auf allen Euren Lehenswelten. Ob auf Kolchis, auf Ayforas oder auf Ker Daban – überall wurden Gildeschwestern bedroht oder gar tätlich angegriffen, was darauf schließen lässt, dass dort ebenfalls Umtriebe gegen den Pakt im Gang sind. Verstöße gegen den Pakt jedoch sind ein Akt der Revolte und können nicht tatenlos hingenommen werden – andernfalls wird auf all jenen Welten schon bald die Flamme des Aufstands lodern.«
Ardath ertrug den tadelnden Blick der Gildemeisterin nicht länger. Seufzend starrte er zu Boden und musste auch noch die andere Hand zu Hilfe nehmen, um sein Haupt am Sinken zu hindern. »Wie«, stöhnte er, »konnte es nur so weit kommen?«
»Das will ich Euch sagen, Majestät – durch Eure eigenen Versäumnisse. Ihr habt die Pflichten, die Euer Vater Euch übertragen hat, sträflich vernachlässigt. An dem, was geschehen ist, habt Ihr nicht unerheblichen Anteil – aber ich bin nicht hier, um Eure Schuld aufzurechnen, sondern um Euch zu helfen. Tut, was ich Euch sage, und Ihr könnt darauf vertrauen, dass die Macht bald schon wieder ganz in Euren Händen liegen wird. Wollt Ihr das tun?«
Der König zögerte noch einen Augenblick, wobei er jedoch nicht wagte, noch einmal zu ihr aufzuschauen. Dann griff er nach dem obersten Schriftstück und presste den Siegelring in das noch weiche Wachs.
»Ihr verlangtet mich zu sprechen, Inquisitorin?«, fragte Prisca in die entstandene Stille.
»In der Tat.« Harona nickte, ohne ihren Blick von Ardath zu wenden. Der Vergleich mit einer Aufseherin, die dafür zu sorgen hatte, dass ein Gefangener seiner vorgeschriebenen Aufgabe nachkam, drängte sich auf. »Vor Kurzem ist Kunde von Ethera eingetroffen. Es gibt Neuigkeiten.«
»Welcher Art?«, wollte Prisca wissen und wappnete sich innerlich, denn der Tonfall ihrer Meisterin ließ nichts Gutes erahnen.
»Auf Jordråk hat es erneut einen Zwischenfall gegeben. Unsere Gesandten dort wurden tätlich angegriffen.«
»Was ist geschehen?«, fragte Prisca, die, ob sie es wollte oder nicht, plötzlich Furcht verspürte. »Ist Kalliope …?«
Nur für einen kurzen Moment wandte Harona ihren Blick – der jedoch war vernichtend. »Sorge dich nicht um deine Schwester. Sie ist wohlauf und am Leben. Meisterin Cedara jedoch ist tot, niedergestreckt von feiger Mörderhand.«
21. Kapitel
»Verdammt noch mal, ist das ein Gestank!«
Das Chamäleon schrie so laut, dass sich seine dünne, quäkende Stimme fast überschlug. »Das ist ja nicht auszuhalten! Verdammt, kann denn niemand was unternehmen …?«
Für einige Augenblicke sah es so aus, als würde sein Lamento einmal mehr unbeachtet verklingen. Von den Mitgefangenen, von denen sich die meisten auf den nackten Stein gelegt hatten, um ein wenig Schlaf zu finden, reagierte niemand, und auch jenseits des Gitters, das die Kerkerhöhle verschloss, schienen die Worte des Chamäleoniden zunächst ungehört zu verhallen. Erst als er wieder schrie, wurde es einem der Schakalkrieger, die im Vorraum der Kerkerhöhle patrouillierten, zu viel.
»Was willst du, Echsenschwanz?«, bellte er und trat ans Gitter. Seine Rüstung schimmerte matt im Fackelschein. »Was hast du hier herumzubrüllen?«
Der Chamäleonid watschelte vor ans Gitter. »Der Katzmann ist tot. Zuerst sah es aus, als würde er sich erholen, aber dann hat er doch ins Gras gebissen.«
»Das freut mich«, erwiderte der Posten nur. Er hatte ohnehin nichts dafür übrig, dass Legionäre der kaiserlichen Armee gemeinen Kerkerwachdienst versehen mussten, entsprechend hielt sich sein Mitleid mit den Gefangenen in engen Grenzen.
»Nur macht es das nicht besser«, widersprach das Chamäleon, auf den reglosen Körper
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