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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Mächten paktiert und den Tod dafür mehr als verdient hatten.
    Sechzehn Feuer, deren lodernde Flammen sich unauslöschlich ins Bewusstsein der Menschen eingebrannt hatten – anders konnte Prisca sich die Furcht nicht erklären, die ihre bloße Erscheinung auslöste.
    Ihre Meisterin hatte sie zur Unterredung in den Thronsaal bestellt, und eigentlich wünschte die junge Gildeschwester nur, möglichst rasch dorthin zu gelangen. Doch während sie die Gänge der Königsfestung mit eiligen Schritten durchmaß, blieb ihr nicht verborgen, dass die Menschen bei Hofe – nicht nur die Diener und Angehörigen des niederen Adels, sondern auch der Hochadel und die Hofbeamten – ihr alle mit derselben Mischung aus Furcht und Vorsicht begegneten. Und sie hätte lügen müssen, hätte sie behaupten wollen, dass ihr das nicht gefiel.
    Prisca genoss den Schrecken, der sie wie eine Aura zu umgeben schien, schützend und Ehrfurcht gebietend. Was König Ardath der Gilde in jüngster Zeit nicht mehr zu gewähren vermocht hatte, nämlich zuverlässigen Schutz, das hatte Harona innerhalb von Tagen erreicht, und Prisca fühlte einen Stolz, der weit über die Bewunderung einer Schülerin für ihre Meisterin hinausging. Harona hatte nicht nur neue Wege beschritten, hatte nicht nur die Politik feiger Beschwichtigung, die die Gilde über viele Zyklen hinweg verfolgt und die ihr letztlich doch nichts als Missachtung eingetragen hatte, im Alleingang beendet. Sondern sie hatte auch dafür gesorgt, dass Begriffe wie Ehrfurcht und Respekt, die früher untrennbar mit der Gilde und ihren Mitgliedern verbunden gewesen waren, in der neuen Zeit wiederhergestellt worden waren.
    »Die Inquisitorin kommt! Die Inquisitorin!«
    Prisca konnte sie tuscheln hören, als sie an ihnen vorüberschritt, und es erfüllte sie mit grimmiger Genugtuung. Nicht länger waren die Gildeschwestern schwache Wesen, über die man beliebig Scherze treiben, die man hinter ihrem Rücken verspotten und ungestraft bedrohen konnte. Meisterin Harona hatte deutlich gemacht, was denjenigen erwartete, der wider das Gesetz des Paktes handelte – und die Botschaft war angekommen.

    Endlich hatte Prisca den Thronsaal erreicht. Die vor der Pforte postierten Wachen nahmen Haltung an und öffneten ihr augenblicklich. Prisca bedankte sich mit einem knappen Nicken, dann betrat sie den prächtigen Saal, der fast menschenleer war – auch dies war ein Zeichen der neuen Zeit, die auf Tridentia angebrochen war. Versammlungen, wie sie früher abgehalten worden waren, gab es nicht mehr. Die Gerichtsbarkeit war der Inquisitorin übertragen worden, auf dass sie im Auftrag des Königs Recht spräche, die Hofbeamten bis auf wenige Ausnahmen entlassen worden. Vorbei waren die Zeiten, in denen ein Hofstaat von Nokturnen und Schmarotzern jede Gelegenheit genutzt hatte, um die Gedanken des Königs zu vergiften. Vorbei auch die Zeit, in der Ketzer und Blasphemiker am Königshof ein und aus gegangen waren.
    Ardath II. saß auf seinem Thron. Seine Gestalt war zusammengesunken, das von langem Haar besetzte Haupt stützte der König auf die goldberingte Rechte, so als ob es zu schwer wäre, um es aufrecht zu halten.
    Bei ihm stand Meisterin Harona, aufrecht und erhaben. Zu sehen, wie der Herrscher über ungezählte Welten vor ihr das Haupt beugte, erfüllte Prisca mit Stolz. Lautlos trat sie hinzu und lauschte dem Wortwechsel, der zwischen ihrer Meisterin und dem König im Gange war.
    »Und Ihr … Ihr seid sicher, dass es neuer Gesetze bedarf?«, erkundigte sich der König fast wie ein Kind.
    »Allerdings, Majestät«, entgegnete Harona mit aller Überzeugung. »Es ist dringend notwendig, dass wir die Rechte Eurer Höflinge weiter einschränken. Tun wir es nicht, so riskieren wir, dass sie sich erneut versammeln und die Köpfe zusammenstecken, um Intrigen gegen Euch und uns zu spinnen. Gerade erst haben wir mit vereinter Kraft das Schlangennest des Verrats ausgehoben – wollt Ihr riskieren, dass sich sogleich ein neues bildet? Ihr dürft Euch zu keinem Augenblick sicher wähnen, Majestät! Vergesst nicht, dass Ihr von nokturnen Kräften umgeben seid!«
    »Glaubt Ihr?«, fragte der König und hob das Haupt, um eingeschüchtert an ihrer hageren, schwarz gewandeten Gestalt emporzublicken. »Das hätte ich niemals vermutet.«
    »Dennoch ist es so«, entgegnete die Inquisitorin unbarmherzig. »Ihr könnt von Glück sagen, dass meine Elevin und ich gekommen sind, um Euch im Kampf gegen die Verräter beizustehen und

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