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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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sie die Roben ihrer Kapuzen wieder herauf, und sie gingen so lautlos, wie sie gekommen waren, elf schweigende Gestalten. Ihre Feuerschiffchen verließen den Boden und folgten ihnen, sodass es merklich dunkler wurde in der Höhle. Nur noch das Zelt sowie die beiden verbliebenen Fackeln verbreiteten unstetes Licht, das einen beständigen Kampf gegen die umgebende Dunkelheit zu führen schien.
    »Kommt näher«, verlangte die Erhabene Schwester.
    Cedara und Harona leisteten der Aufforderung Folge. Dabei konnten sie, wie schon bei ihrer Ankunft, den Widerstand spüren, der sich ihnen entgegenstellte und der nun, da sie sich dem Zelt noch weiter näherten, zu körperlichem Schmerz wurde. Cedara merkte, wie ihr Schweiß auf die Stirn trat. Unruhe erfüllte sie, die ihr inneres Gleichgewicht bedrohte.
    »Näher«, forderte die Erhabene Schwester unbarmherzig.
    Cedara streifte Harona mit einem Blick. Auch ihr war anzusehen, dass ihr die Präsenz der Erhabenen Schwester zusetzte.
    Die beiden numeratae bemühten sich, sich weder den Schmerz anmerken zu lassen, der mit der Wucht eines Schraubstocks auf ihre Schläfen drückte, noch die Überwindung, die es sie kostete, die Eingangsplane des Zeltes beiseitezuschlagen und einzutreten. Feuchtwarme, von Kräutergeruch durchsetzte Luft schlug ihnen entgegen, die von Dampfschwaden durchsetzt war, dass man kaum die Hand vor Augen erkennen konnte. Erst als die beiden Schwestern weiter vortraten, klärte sich die Sicht – auf den Anblick, der sie jenseits der Schleier erwartete, waren sie jedoch nicht gefasst. Der Zustand ihrer Anführerin hatte sich seit ihrem letzten Besuch dramatisch verschlechtert, die Verwandlung war weiter vorangeschritten.
    Unumkehrbar.
    Unaufhaltsam.
    »Seht mich nicht so an«, verlangte die Erhabene Schwester mit ihrer wispernden Stimme, die in solch krassem Gegensatz zu ihrer Erscheinung stand. »Ihr wusstet, was geschehen würde.«
    »Das ist wahr«, gab Cedara zu. »Jedoch Euch so zu sehen …«
    »Es ist der Preis für das, was ich bin. Doch ich habe euch nicht zu mir gerufen um eures Mitleids willen, sondern weil ich euch etwas mitzuteilen habe. Ich hätte wissen müssen, dass eine unserer Mitschwestern gewaltsam zu Tode kommen würde, denn ich war gewarnt.«
    »Wir alle waren gewarnt«, versicherte Harona. »Wären wir den Animalen gegenüber nicht so nachlässig gewesen …«
    »So meine ich es nicht«, wandte die Anführerin der Schwesternschaft ein und hob abwehrend die kurzen Arme. »Vor einigen Wochen hatte ich einen Traum. Darin sah ich, wie eine Schwester unserer Gemeinschaft grausam ermordet wurde, aber weder konnte ich ihr Gesicht erkennen noch den Ort des Verbrechens. Ich wusste nicht, was ich von jenem Traum halten sollte – bis du, Harona, mir die Nachricht vom Tod Schwester Glennaras überbrachtest. Von diesem Augenblick an wusste ich, dass es die Zukunft war, die ich gesehen hatte.«
    »Ihr … habt die Gabe der Prophetie erlangt?«, erkundigte sich Cedara vorsichtig. Gelegentlich kam es vor, dass Gildeschwestern über die Fähigkeit der Levitation hinaus auch noch andere Begabungen entwickelten, darunter auch jene der Hellsicht – doch sie taten es stets erst am Ende ihres Lebens, wenn die Schatten der ewigen Nacht bereits begannen, sich über sie zu breiten …
    Die Erhabene Schwester wog das entstellte, unförmig gewordene Haupt. »Ich werde diese Welt bald verlassen«, stellte sie mit erschreckender Nüchternheit fest, »und ich will nicht gehen, ohne euch zu warnen.«
    »Uns zu warnen?« Harona hob eine Braue. »Wovor?«
    »Glennaras Tod war nicht alles, was ich gesehen habe. Jordråk war erst der Anfang, und es gibt nichts, was wir dagegen tun können. Mehr Blut wird fließen, der Krieg wird über uns kommen, und eine Zeit der Finsternis wird anbrechen. Aufruhr und Revolte werden das Sanktuarion in Flammen setzen, und die Welten, wie wir sie kennen, werden untergehen.«
    »Ihr … sprecht vom letzten Kampf«, sagte Cedara vorsichtig. »Vom Ende der Zeiten.«
    »Doch wenn dies geschieht, werde ich nicht mehr am Leben sein – und es ist an euch beiden, meine Nachfolge anzutreten.«
    »Welche von uns?«, wollte Harona wissen.
    »Diese Frage habe auch ich mir wieder und wieder gestellt: Welche von euch beiden wird am ehesten in der Lage sein, unsere Gemeinschaft durch diese dunklen Zeiten zu führen?« Die Erhabene Schwester keuchte, ihr Atem ging rasselnd und schwer. »Ich erinnere mich, wie ihr einst wart. Gemeinsam seid ihr nach

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