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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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während Vicki wieder auf ihre Nasenspitze schielt, da sie weiß, daß ich Cade wie einen dressierten Esel zu dem Witz verleitet habe.
    Lynette lächelt höflich und schiebt das Fleisch, die Erbsen und das Minzgelee auf ihrem Teller enger zusammen. Sie ist eine gescheite Zuhörerin, aber auch eine freimütige Fragestellerin, bei der einer, der die Krisenleitung mit einer albernen Krise behelligte, nicht so leicht davonkommen würde. Wie es aussieht, konzentrieren sich ihre Gedanken jetzt auf mich. »Sagen Sie, Frank, waren Sie auch Soldat?« fragt sie freundlich.
    »Ich war bei den Marines, aber dann wurde ich krank und war draußen.«
    Auf Lynettes Gesicht spiegelt sich echte Sorge. »Was ist denn passiert?«
    »Verschiedene Symptome in meinem Blut ließen einen Arzt an eine tödliche Krebserkrankung glauben. Es war ein Irrtum, aber eine Zeitlang kam niemand dahinter.«
    »Da hatten Sie ja Glück, nicht wahr?« Lynette denkt wieder an den armen, toten Beany, der kalt im katholischen Teil des Friedhofs von Fort Dix liegt. Das Leben ist nie fair.
    »Sechs Monate später sollte ich rübergehen, insofern haben Sie wohl recht, gnädige Frau.«
    »Die ›gnädige Frau‹ dürfen Sie gern weglassen, Frank«, sagt Lynette mit einem Augenaufschlag und blickt um den ganzen Tisch. Sie lächelt verträumt in Wades Richtung, der wie ein Gentleman in alter Südstaatenmanier zurücklächelt. »Mein früherer Mann war bei der Küstenwache in Vietnam«, sagt Lynette. »Nicht viele wußten, daß die überhaupt drüben waren. Aber ich habe Briefe, die im Mekong-Delta und in Saigon abgestempelt worden sind.«
    »Die hast du wohl gut versteckt?« Vicki grinst abfällig in die Runde.
    »Vorbei ist vorbei, Schätzchen. Ich hab sie rausgeworfen, als ich diesen Mann da kennenlernte.« Lynette lächelt Wade mit einem Kopfnicken zu. »Wir brauchen hier ja wohl nicht zu heucheln. Jeder war schon mal verheiratet, von Cade abgesehen.«
    Cade blinzelt mit seinen dunklen Augen wie ein verwirrter Bulle.
    »Diese Burschen hatten wirklich brutale Einsätze«, sagt Wade. »Stan, Lynettes früherer Mann, hat mir erzählt, daß er wahrscheinlich zweihundert Menschen getötet hat, die er nie sah, einfach durch Schüsse in den Dschungel während der Patrouillen, Tag für Tag, Nacht für Nacht.« Wade schüttelt den Kopf.
    »Das ist schon was, aber wirklich«, sage ich.
    »Und ob«, brummt Cade sarkastisch.
    »Bedauern Sie, keine richtigen Kampfhandlungen erlebt zu haben?« fragt Lynette, wieder an mich gewandt.
    »Die erlebt er zur Genüge«, sagt Vicki und grinst wieder. »Dafür bin schließlich ich zuständig.«
    Lynette deutet ein Lächeln an. »Sei lieb, Schätzchen. Versuch es wenigstens.«
    »Ich bin perfekt«, sagt Vicki. »Seh ich vielleicht nicht perfekt aus?«
    »Ich würde noch etwas von dem Lamm nehmen«, sage ich. »Cade, kann ich Ihnen was rüberschicken?« Cade wirft mir einen verschlagenen Blick zu, als ich mir eine Scheibe von dem grauen Lammfleisch nehme und die Platte an ihn weiterreiche. Aus irgendeinem Grund will mir kein gutes Sportthema einfallen, obwohl mein Kopf arbeitet wie ein Computer. Mir fallen nur Fakten ein. Trefferquoten. Daten. Zahl der Sitzplätze in einzelnen Stadien. Anzahl der Ballverluste im letztjährigen Finale um die Footballmeisterschaft (obwohl ich mich nicht einmal an die Mannschaften erinnern kann, die im Finale standen). Manchmal hilft auch der Sport nicht weiter.
    »Frank, mich hätte interessiert, wie Sie folgendes sehen«, sagt Wade und schluckt ein großes Stück Lamm hinunter. »Was würden Sie, aus der Sicht des Journalisten, sagen: Sind wir heute in diesem Land eher in einer Vorkriegs- oder in einer Nachkriegssituation?« Wade schüttelt, ehrlich besorgt, den Kopf. »Manche Dinge machen mich richtig sauer, fürchte ich. Ich wollte, es wäre anders.«
    »Ich hab mich die letzten paar Jahre kaum um Politik gekümmert, um ehrlich zu sein, Wade. Meine Meinung schien nie viel zu zählen.«
    »Ich hoffe nur, es gibt einen Weltkrieg, bevor ich zu alt bin, um mitzumischen. So seh ich das«, sagt Cade.
    »Das hat Beany auch gedacht.« Lynette blickt Cade stirnrunzelnd an.
    »Was weiß ich«, sagt er nach einem Moment betretener Stille zu seinem Teller.
    »Im Ernst, Frank«, fängt Wade wieder an. »Wie kann man sich von den Ereignissen auf einer höheren Ebene so abschotten, frag ich mich.« Wade will mich nicht in die Enge treiben. Es ist einfach seine ernsthafte Art.
    »Ich bin Sportreporter, Wade. Wenn mir

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