Sportreporter
er mir ein faires Bild von der Familie hier vermitteln möchte, für den Fall, daß ich mit dem Gedanken spiele, ein Teil davon zu werden. Und es stimmt, daß die Arcenaults meilenweit von dem entfernt sind, was ich erwartet habe. Nur im positiven Sinn. Wade könnte mir seine eigene Person oder sein geordnetes Leben gar nicht angenehmer, sympathischer schildern. Was könnte einem Besseres passieren, als hier einzuheiraten? Eine Verpflichtung in Sherri-Lyn Woods einzugehen (lange Wochenenden und Feiertage). Ich würde mich auf längere Sicht vielleicht sogar mit Cade anfreunden, ihm mit einem geschickten Empfehlungsschreiben zur Aufnahme in einem guten College verhelfen; erreichen, daß er sich für Marketing-Techniken interessiert, anstatt für Polizeiarbeit und Schußwaffen. Ich könnte mir ein eigenes kleines Boot zulegen und die Anlegestelle hinter dem Haus nutzen. Es könnte ein verdammt gutes, normales Leben sein, das steht fest.
Doch aus irgendeinem Grund bin ich nervös und verlegen. Meine Hände sind immer noch kalt und steif, und ich stecke sie in die Hosentaschen, und als ich Wade wieder anblicke, sind meine Augen so leer wie die Tür einer Grabkammer. Daß ich mich just in dem Augenblick zurückhalte, ist eine schwerwiegende Charakterschwäche.
»Frank«, sagt Wade auf einmal sehr beflissen und scharfsinnig. »Ich möchte da eine Antwort von Ihnen. Finden Sie, es hat zuwenig mit Ihrem Leben zu tun? Wenn einer nur Mautgebühren kassiert, eine Familie großzieht, einen solchen alten Wagen wieder herrichtet, mit seinem Sohn aufs Meer rausfährt und Plattfische angelt? Vielleicht seine Frau liebt?«
Ich kann kaum schnell genug antworten, jede Zurückhaltung ist weggefegt. »Nein«, brülle ich fast. »Überhaupt nicht. Herrgott, Wade, ich finde es phantastisch, und Sie sind ein verdammter Glückspilz, Himmelarsch!« (Ich schockiere mich selber mit meinen Kraftausdrücken.)
»Was Sie tun, Frank, ist wahrscheinlich romantischer, abenteuerlicher. Ich seh an meinem Arbeitsplatz nicht viel vom Leben, aber ich hab ja auch schon genug davon gesehen.«
»Ihr Leben und meins sind sich wahrscheinlich viel ähnlicher, als Sie glauben, Wade. Vielleicht haben Sie sogar das bessere Leben, wenn ich das so sagen darf.«
»Es ist nicht wenig, was man in so einen alten Wagen reinsteckt, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will.« Wade lächelt nun stolz; meine beifällige Äußerung hat ihm gutgetan. »Kleinigkeiten, die ich nicht mit Worten beschreiben kann. Manchmal komm ich um vier Uhr früh hier runter und bastle bis Tagesanbruch herum. Und wenn ich abends nach Hause fahre, kann ich mich immer schon darauf freuen. Und noch eins will ich Ihnen sagen: Wenn ich von hier nach oben komme, bin ich immer glücklich und zufrieden, und meine Teufel bleiben in ihrem Höllenloch.«
»Das ist großartig, Wade.«
»Und es ist alles absolut begreiflich, jedes kleinste Teil. Drähte und Bolzen. Ich könnte Ihnen alles zeigen, ich kann’s nur nicht in Worte fassen. Sie könnten das bestimmt selber tun.« Er sieht mich an und schüttelt voll Verwunderung den Kopf. Wade ist kein Mann der totalen Enthüllung, mag es auch anders erscheinen. Und in diesem Fall weiß ich genau, was er entdeckt hat, weiß, wie wertvoll und vergnüglich es für jemanden sein kann. Doch während ich auf Wade hinunterblicke, der zu mir heraufsieht, ist es aus irgendeinem seltsamen Grund Wade allein, den ich in Gedanken vor mir sehe, wie er in einem Krankenhaus, einen einzelnen Koffer mit sich tragend, über einen langen, leeren Gang geht, vor einer nicht numerierten Tür stehenbleibt und dann in einen sauberen, leeren Raum hineinspäht, wo das Bett zurückgeschlagen ist und grelles Sonnenlicht durch ein Fenster dringt und wo alles so sauber ist, wie man es sich nur vorstellen kann. Es sind Tests , deretwegen er hier ist. Viele, viele Tests. Und wenn er erst einmal diesen Raum betreten hat, wird er nie wieder der alte sein. Es ist der Anfang vom Ende, und es macht mich, ehrlich gesagt, verrückt vor Angst, und ein entsetzlicher Schauder befällt mich. Ich würde ihn jetzt gern in die Arme schließen, ihm sagen, er solle sich von Krankenhäusern fernhalten, den Sensenmann zu Hause erwarten. Aber ich kann nicht. Er würde es falsch verstehen, und zwischen uns wäre alles ruiniert, gerade jetzt, wo es doch so gut angefangen hat.
Über uns, in der sporadischen Betriebsamkeit des Hauses, hat jemand angefangen, auf der Elektroorgel die einleitenden Baßtöne
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