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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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der Leitung. Ich höre Wade Arcenault, der mit leiser und beschwörender Stimme hinter einer geschlossenen Tür über dem Gang auf seinen Sohn einspricht. Von einem Fernseher kommen Hintergrundgeräusche, das leise Gemurmel einer Menschenmenge, die ferne Pfeife eines Schiedsrichters. »Heute in der besten aller möglichen Welten …« höre ich Wade sagen.
    »Folgendes«, sagt X ruhig. »Die Polizei hat vor etwa einer halben Stunde hier angerufen. Sie glauben, daß er tot ist. Es gibt einen Brief. Er hat ihn an dich geschrieben.«
    »Wie meinst du denn das?« sage ich und bin verwirrt. »Du redest gerade so, als hätte er sich umgebracht.«
    »Er hat sich erschossen, sagte der Polizist, mit einer Jagdflinte.«
    »Nicht doch, nein.«
    »Seine Frau ist anscheinend verreist.«
    »Sie ist mit Eddie Pitcock in Bimini.«
    »Hm«, sagt X. »Je nun.«
    »Was, je nun?«
    »Nichts. Tut mir leid, daß ich dich dort anrufen muß. Ich hab gerade deine Nachricht abgehört.«
    »Wo sind die Kinder?«
    »Sie sind hier. Sie machen sich Sorgen, aber das ist nicht deine Schuld. Clary hat den Hörer abgenommen, als die Polizei anrief. Bist du bei Den-Namen-vergeß-ich-Immer?« (Ein hervorragender Michigan-Ausdruck für geübte Gleichgültigkeit.)
    »Vicki.« Vicki Den-Namen-vergeß-ich-Immer.
    »War nur ’ne Frage.«
    »Walter hat mich gestern abend besucht und ist lange geblieben.«
    »Ach so«, sagt X. »Es tut mir leid. Dann war er also ein Freund von dir?«
    »Ich glaub schon, ja.« In Cades Zimmer drüben klatscht jemand laut in die Hände, dreimal nacheinander, dann ein Pfiff.
    »Ist mit dir alles in Ordnung, Frank?«
    »Es ist ein Schock.« Tatsächlich spüre ich, wie meine Fingerspitzen kalt werden. Ich lege mich zurück auf die seidenweiche Tagesdecke.
    »Die Polizei erwartet deinen Anruf.«
    »Wo war er?«
    »Nur zwei Ecken von hier. Coolidge 118. Ich könnte den Schuß sogar gehört haben. Es ist nicht sehr weit.«
    Ich blicke nach oben durch den offenen Betthimmel in eine absolut blaue Decke. »Was wird jetzt von mir erwartet? Hast du das schon gesagt?«
    »Du sollst einen Sergeant Benivalle anrufen. Ist alles in Ordnung? Möchtest du, daß ich komme und dich irgendwo treffe?«
    Überm Gang bricht Cade in ein lautes, rauhes Gelächter aus.
    »Herrgott noch mal, wie wahr!« sagt Wade in Hochstimmung. »So was Verrücktes hab ich überhaupt noch nie gehört!«
    »Ich würd dich gern irgendwo treffen«, flüstere ich. »Ich werd dich aber anrufen müssen.«
    »Wo um alles in der Welt bist du?« (Wie die scheltende Geliebte von früher: »Wo willst du denn noch überallhin?« – »Wo um alles in der Welt bist du gewesen?«)
    »Barnegat Pines«, sage ich leise.
    »Wo immer das sein mag.«
    »Kann ich dich anrufen?«
    »Du kannst auch herkommen, wenn du möchtest.«
    »Ich ruf an, sobald ich weiß, was zu tun ist.« Ich habe keine Ahnung, warum ich flüstere.
    »Vergiß nicht, die Polizei anzurufen, okay?«
    »Okay.«
    »Es ist kein angenehmer Anruf, ich weiß.«
    »Es ist im Augenblick schwer, darüber nachzudenken. Armer Walter.« Ich wollte, ich würde an der blaßblauen Decke etwas Vertrautes entdecken. Irgendwas, fast alles wäre mir recht.
    »Ruf mich an, wenn du herkommst, Frank.«
    Aber es gibt da oben natürlich nichts zu sehen. »Mach ich«, sage ich. X legt ohne ein weiteres Wort auf, gerade so, als sei »Frank« gleichbedeutend mit »Lebwohl, ich liebe dich«.
    Ich lasse mir von der Auskunft die Nummer der Polizei in Haddam geben und rufe sofort an. Während ich warte, versuche ich mich zu erinnern, ob ich Sergeant Benivalle je gesehen habe, aber es ist eigentlich keine Frage. Im Rathaus bin ich der ganzen Itaker-Sippe schon oft begegnet. Im normalen Alltag sind sie nicht zu vermeiden und man nimmt sie zur Kenntnis wie Gepäckstücke.
    »Mr. Bascombe«, sagt eine Stimme behutsam. »Richtig?«
    »Ja.«
    Ich weiß auf Anhieb, wer er ist – ein massiger, kleinäugiger Polizist mit fürchterlichen Akne-Narben und einem militärischen Bürstenschnitt. Es ist ein Mann mit sanften großen Händen, mit denen er mir damals, als in unser Haus eingebrochen wurde, die Fingerabdrücke abnahm. Noch nach all den Jahren weiß ich, wie weich diese Hände waren. Er ist ein guter Kerl, wenn ich mich recht erinnere, aber es ist auch klar, daß er mich längst vergessen hat.
    Und tatsächlich könnte Sergeant Benivalle ebensogut mit einem Anrufbeantworter reden. Tod und Überleben sind für ihn das, was Klaviere für einen Möbelpacker

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