Sportreporter
klein wenig verlegen gemacht. »Der unternimmt nichts mehr. Aber ich lebe noch. Frank ist immer noch unter den Lebenden.«
»Ich würde mich schämen«, sagt Vicki und stößt die Tür zwischen uns weit auf. Der Wind hat jetzt einen winterlichen Biß. Die Wetterfront ist rasch über uns weggezogen und hat uns in einer grauen Frühjahrskälte zurückgelassen. In einer halben Minute wird sie gehen. Dies ist die letzte Chance, sie zu lieben.
»Also ich nicht«, sage ich laut in den Wind. » Ich hab mich nicht umgebracht. Ich möchte, daß du mitkommst und zuläßt, daß ich dich liebe. Und morgen heiraten wir.«
»Wohl kaum.« Sie blickt bedrückt auf die trockene schwarze Dichtungsleiste am armseligen Fensterrahmen meines armseligen Wagens. Mit einem knallroten Fingernagel bricht sie ein Stück heraus.
»Und warum nicht?« sage ich. » Ich möchte es. Gestern um diese Zeit lagen wir wie Neuvermählte zusammen im Bett. Ich war für dich einer von nur sechs Menschen auf der Welt. Was zum Teufel ist passiert? Bist du plötzlich verrückt geworden? Noch vor zwanzig Minuten warst du glücklich wie ein Äffchen.«
» Ich bin jedenfalls nicht verrückt geworden. Weit gefehlt, José«, sagt sie heiser.
»Ich heiße nicht José, verdammt noch mal.« Ich werfe einen frostigen Blick auf Lynettes nachgemachten beigefarbenen Jesus, der an die Seitenwandung genagelt ist. Er macht das Leben für so viele wie möglich zu einem großen Elend und hält dann nie den Kopf dafür hin. Er sollte es mit der Auferstehung mal in der heutigen komplizierten Welt versuchen. Er würde glatt vom Kreuz fallen und auf dem Arsch landen. Er könnte keine Zeitung verkaufen.
»Irgendwie haben wir keine gemeinsamen Interessen, so wie’s aussieht«, sagt Vicki fast unhörbar und fummelt dabei mit dem Finger an ihrem blauen Navajo-Ohrring herum. »Vorhin am Eßtisch, da hab ich das kapiert.«
»Aber ich hab Interesse an dir !« brülle ich. »Reicht das denn nicht?« Der Wind wird stärker. Hinter dem Haus knallt Wades Bostoner Walfänger gegen den Bootssteg. Meine eigenen Worte werden zerrissen und wie Spreu davongeweht.
»Nicht zum Heiraten, nein«, sagt sie und schiebt energisch den Unterkiefer vor. »Wenn man so rumspinnt, wie wir das gemacht haben, dann ist das schon recht; aber es reicht nicht fürs ganze Leben, bis zum Tod.«
»Und was würde reichen? Sag’s, und ich tu’s. Ich will mit dir durchs ganze Leben gehen, bis zum Tod.« Worte, meine beste Zuflucht, meine ältesten Verbündeten, bleiben plötzlich ohne Wirkung, und ich bin hilflos. Ja, im Wind scheinen mir Worte kaum noch über die Lippen zu kommen. Es ist wie ein Traum, in dem sich meine Freunde gegen mich wenden und dann verschwinden – der Cäsarentraum eines armen Mannes, für sich allein schon ein Alptraum. »Also gut, ich werde mich für Krankenpflege interessieren. Ich werde die richtigen Bücher lesen, verdammt noch mal, dann können wir uns Tag und Nacht über Krankenpflege unterhalten.«
Vicki versucht zu lächeln, wirkt aber nur verblüfft. »Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll.«
»Sag ja! Oder wenigstens irgend etwas Intelligentes. Es könnte sein, daß ich dich einfach entführe.«
»Das wirst du nicht.« Sie schürzt die Lippen und kneift die Augen zusammen, ein Anblick, den ich noch nie gesehen habe und der mir angst macht. Sie ist ohne Furcht, falls Furchtlosigkeit erforderlich ist. Aber Hauptsache, sie läuft furchtlos zu mir über.
»Ich laß nicht mit mir spielen«, sage ich und bewege mich auf sie zu.
»Ich liebe dich einfach nicht so, daß ich dich heiraten könnte.« Sie breitet wütend die Hände aus. »Ich liebe dich nicht auf die richtige Art. Also, geh jetzt lieber. Du bist imstande, einfach alles zu sagen, und ich mag das nicht.« Ihre Haare sind längst vom Wind zerzaust.
»Es gibt keine richtige Art«, sage ich. »Es gibt nur Liebe und Nichtliebe. Du bist verrückt.«
»Du wirst schon sehen«, sagt sie.
»Du steigst jetzt in diesen Wagen.« Ich halte ihr die Tür auf. (Sie hat beschlossen, mich nicht zu lieben, weil ich sie möglicherweise verändern würde, aber damit liegt sie völlig daneben: Ich bin es, der sich glücklich verbiegen wird.) »Du glaubst nur, du willst ein kleines Leben wie das Lynettes, damit du was zu klagen hast, aber ich werde dir die beste aller Welten bieten. Du weißt gar nicht, wie glücklich du sein wirst.« Mit einem breiten, vielsagenden Grinsen mache ich einen Schritt nach vorn, um die Arme um sie zu
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