Sportreporter
legen, aber sie versetzt mir einen Schlag voll auf den Mund: Mit einer gemeinen, kleinen, nervösen Faust erwischt sie mich mitten in einer Vorwärtsbewegung und streckt mich nieder. Ich kann mich noch an der Autotür festhalten, um den Sturz abzufangen, aber dieses Mädchen hat einen linken Haken ansatzlos von der Schulter geschlagen, und ich bin mit offenen Augen voll hineingelaufen.
»Ich krieg dich schon klein«, sagt sie wütend, die beiden Fäuste zu kleinen Kartätschen geballt, die Daumen nach innen. »Der letzte Kerl, der mir auf die Pelle rücken wollte, mußte sich hinterher im Krankenhaus zusammenflicken lassen.«
Und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Es ist natürlich das Ende von allem, aber es ist ein gebührendes Ende. Ich habe dickes, übelschmeckendes Blut im Mund. (Hoffentlich hat vom Haus aus niemand zugesehen und glaubt jetzt, mir helfen zu müssen.) Als ich den Kopf hebe, ist sie einen halben Schritt zurückgewichen, und rechts neben dem hängenden Jesus sehe ich Cades großen Kopf auf mich herunterblicken, ungerührt wie ein Buddha. Doch Cade spielt in dieser Sache absolut keine Rolle, und daß er meine Niederlage sieht, stört mich nicht. Es ist eine Erfahrung, die er bereits gemacht hat und mit der er sympathisieren würde, wenn er könnte.
»Nun steh schon auf, dein toter Kumpel wartet«, sagt Vicki mit zitternder und zugleich warnender Stimme.
»Okay.« Ich habe immer noch mein dämliches Grinsen im Gesicht, wie Joe Palooka in dem alten Comic strip. Vielleicht kreisen auch um meinen Kopf Sterne und Windrädchen. So ganz habe ich meine Sinne wohl nicht beisammen, aber ich bin mir sicher, daß ich Autofahren kann.
»Ist doch alles in Ordnung, oder?« Sie kommt keinen Schritt näher, wirft aber aus der Distanz einen prüfenden Blick auf mich. Ich bin bestimmt leichenblaß, aber ich empfinde es nicht als Schande, von einem Mädchen niedergestreckt worden zu sein, einer starken jungen Frau, die erwachsene Männer in ihren Betten umdrehen und sie ohne fremde Hilfe zu entlegenen Toiletten und wieder zurück transportieren kann. Ja, es bestätigt alles, was ich schon immer von ihr geglaubt habe. Noch könnte es Hoffnung für uns geben. Dies könnte genau die Liebe sein, die sie gesucht, der sie aber nicht getraut hat; vielleicht konnte erst ihr Faustschlag uns beiden die Augen öffnen.
»Ruf mich doch morgen mal an«, sage ich, auf die Ellbogen gestützt, mit beginnenden Kopfschmerzen, aber immer noch mit dem Lächeln des guten Verlierers.
»Das glaube ich kaum.« Sie verschränkt die Arme wie Maggie in den Comics. Gibt es einen besseren Jiggs als mich? Gibt es jemanden, der noch weniger aus Erfahrung lernt als ich?
»Du gehst jetzt besser ins Haus«, sage ich. »Es ist demütigend, in deiner Gegenwart wieder auf die Beine zu kommen.«
»Ich wollte dich nicht richtig treffen«, sagt sie rechthaberisch.
»Von wegen! Du hättest mich k. o. geschlagen, wenn du wüßtest, wie man eine Faust macht. Du machst eine Mädchenfaust.«
»Ich schlag nicht oft zu.«
»Jetzt geh schon«, sage ich.
»Bist du sicher, daß du klarkommst?«
»Rufst du mich morgen an?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.« Ich kann tatsächlich hören, wie sich ihre Strümpfe aneinanderreiben, als sie sich abwendet und im Wind über den Rasen aufs Haus zugeht und dabei mit den Armen schlenkert und sorgfältig die Schuhspitzen immer zuerst aufsetzt, um nicht im Dreck zu versinken. Sie dreht sich nicht um – das sollte sie auch nicht – und verschwindet rasch im Haus. Cade hat seinen Platz am Fenster inzwischen auch verlassen. Und eine Zeitlang bleibe ich dort, wo ich am Boden gelandet bin, neben meinem Wagen sitzen und blicke, während sich die ganze Welt um mich dreht, hinauf zu den berstenden Wolken und versuche, den schrecklichen Wirbel zu stoppen. Eben noch schien eine verlockende Zukunft vor mir zu liegen, doch nun frage ich mich, ob nicht das Leben wie ein großer, lärmender Sattelschlepper über mich hinweggerollt ist und mich – platt und am Boden – hier neben der Straße zurückgelassen hat.
Elf
Windstöße erfassen immer wieder den Wagen und behindern mich auf der Heimfahrt. Es ist, was das Wetter betrifft, in der Tat ein schlimmes Wochenende gewesen, aber wer hätte das Freitagmorgen am Grab meines Sohnes vorhersehen können.
Meine Entscheidung, über die Autobahn zurückzufahren, war nicht sehr klug – nirgends eine tröstliche Landschaft, nur Kiefern und traurige, mit Riedgras
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