Sportreporter
bewachsene Hügel und ferne Starkstromleitungen, die sich am Horizont verlieren, auf Lakehurst und das seelenvolle Fort Dix zu. Gelegentlich lugt das Firmenschild eines Pontiac-Händlers oder eine Traglufthalle für Tennisspieler über den Nadelwald, aber sie sind viel zu spärlich und isoliert. Ich bin mal wieder nervös vor Angst, ohne konstruktive Distanz zu dem, was kommen wird, und ich sehe nur den langen, leeren Horizont, von dem X mir erzählt hat, den ich aber in meiner Dummheit nicht fürchtete.
Der Verkehr aus Atlantic City und den Küstenorten nimmt jetzt rasch zu, und bei der Abzweigung der Landstraße 98 studiere ich die Straßenkarte und nehme mir vor, auf die Nummer 9 überzuwechseln und dann auf ländlichen Nebenstraßen über Freehold nach Hause zu kommen. Das schlechte Wetter ist weitergezogen, und im Radio sind unerwartete Sender mit unerwarteten Neuigkeiten zu hören – was es morgen im Seniorenheim in South Amboy zum Mittagessen gibt (Kalbsspießchen und Texas-Toast); das Wetter in Kalispell und Cœur d’Alene (viel sommerlicher als hier). Im feministischen Sender in New Brunswick liest eine Frau, deren Stimme sexy klingt, schmutzige Abschnitte aus dem Wendekreis des Krebses – van Nordens Selbstgespräch über die Liebe, wo er den Orgasmus mit der heiligen Kommunion vergleicht und dann um eine Frau bittet, die besser ist als er. »Find mir eine solche Fotze, okay?« bettelt van Norden. »Wenn du das für mich tun könntest, würd ich dir meinen Job überlassen.« Anschließend verpaßt die Moderatorin dem armen Miller wegen seiner Einstellungen eine ordentliche Tracht Prügel, und sofort danach kommt von einem Sexklub, nicht weit von meinem Büro, ein Einführungsangebot »zum Kennenlernen«. Ich höre diesem Sender zu, bis der Wind die Worte verweht, und mir bleibt der angenehme, wenn auch kurze Eindruck, daß irgendwo eine Hundert-Dollar-Hure auf mich warten würde, wenn ich nur den Mumm hätte, sie zu finden, und wenn mich nicht andere Pflichten davon abhalten würden. Traurige Pflichten. Von der schlimmsten Sorte.
Plötzlich, zwei entsetzliche Minuten lang, mache ich eine Bestandsliste von allem , was in den nächsten vierundzwanzig bis sechsunddreißig Stunden möglicherweise besser werden könnte, und finde nichts außer einer flackernden, trügerischen Erinnerung an die einige Jahre zurückliegende Zeit mit Selma Jassim, unsere nächtlichen Stunden, halb schlafend und halb betrunken und im Zustand heftiger Erregung, sie in einem unverständlichen Arabisch stöhnend und ich in animalischer Vorfreude (und das alles, während ich Hausarbeiten der Studenten hätte korrigieren sollen). Natürlich kann ich mich an nichts erinnern, was wir gesagt haben könnten, und auch nicht, wie wir unser Interesse aneinander längere Zeit wachhalten konnten, wo doch jeder aus dem Randbereich seines gescheiterten Lebens nur wenig zu bieten hatte. Doch alles wird möglich, jedes Ausmaß an taumelnder Verzückung, wenn du erst einsam genug bist und kein Schrittchen mehr weiter weißt. Eine wilde Freiheit wartet dort auf den, der sie ertragen kann.
Tatsächlich erinnere ich mich an das lange Auf und Ab von Seufzern in der Nacht und das gelegentliche Klimpern von Eiswürfeln in Gläsern, ihren Zigarettenrauch im dunklen Haus der Tänzerin und die stille Oktoberluft, elektrisch aufgeladen vom Sehnen und Verlangen. Und an den nächsten Tag mit seinem langen Nebel nach der durchwachten Nacht, und das Gefühl, allein schon mit dem Überstehen der Nacht etwas Besonderes geleistet zu haben.
Ich bereue keinen Augenblick davon, so wenig wie jemand bereuen würde, das letzte Stück, sagen wir, eines Brombeerkuchens hinuntergeschlungen zu haben, wenn er im Dezember auf einer abgelegenen Landstraße in Wyoming im Schnee festsitzt, und kein Mensch weiß, wo er ist, und er sieht zum letzten Mal in seinem Leben die Sonne untergehen. Reue hat in einer solchen Situation keinen Platz, das steht fest (auch wenn die Begegnung mit Selma damals den Abstand zwischen X und mir absolut vergrößerte und mich im falschen, entscheidenden Moment träumerisch und wortkarg machte).
Aber ich bin keiner, der sich mit der Vergangenheit herumplagt. Und mitten im Städtchen Adelphia auf der Verbindungsstraße 524 fahre ich auf einen leeren Acme-Parkplatz und rufe die Auskunft in Providence an, wo ich sie vermute. Eine Stimme würde jetzt helfen. Besser als vier Hundert-Dollar-Huren und eine kostenlose Reise nach Cœur d’Alene.
In der
Weitere Kostenlose Bücher