Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
Vom Netzwerk:
Überreste eines nicht zu Ende gelebten Lebens.
    X sitzt auf der Kante der Ledercouch; sie hat die Handgelenke auf den Knien liegen und starrt einen roten Keramikhummer an, der über den Rand einer großen grünen Dip-Schale auf dem Couchtisch späht. »Weißt du was?« Sie blickt dem Hummer fest in die Augen. Ihre Stimme klingt hohl, wie ein Echo.
    »Was?«
    »Ich fühle mich hier drin an ein Verbindungshaus erinnert, an einen Raum bei den Phi Delts, in dem ich öfter mal war. Ron Irgendwas. Ron Kirk. Es war genauso eingerichtet, als ob jemand im Sprechzimmer eines Zahnarztes wohnt. Überall nur das schreckliche Zeug für kleine Jungs. Ich wette, hier liegt auch irgendwo ein Stapel Playboys herum. Ich hab mich schon ein bißchen danach umgesehen.« Sie schüttelt verwundert den Kopf. Auf dem Boden vor dem Couchtisch findet sich noch mehr von dem orangefarbenen Klebeband, das die Polizei um den Sessel herum angebracht hat, in dem Walter gesessen hat, einen Sessel, der jetzt fehlt. Zwei große dunkelbraune Flecken sind auf einem der gekettelten Läufer getrocknet; sie sind mit einer durchsichtigen Folie abgedeckt und dann mit Klebestreifen gesichert worden. Auch an der Wand ist eine Fläche abgedeckt und versiegelt worden. X hat dazu nichts gesagt. »Mein Gott, Frank, ihr seid so was von merkwürdig. Ich versteh nicht, wie einer von euch allein zurechtkommt.« Sie zwinkert mir zu, lächelt, möchte begreifen, was für ein Mensch es wohl ist, der sich selber umbringt, wünscht sich eine vernünftige Erklärung für eine so merkwürdige Tat. »Verstehst du?«
    »Ich hab mir gerade überlegt, wie Walter das Ding ausgelöst hat. Er muß ein Experte gewesen sein.«
    »Glaubst du, du verstehst das alles?«
    »Ich glaube schon.«
    »Dann erklär es mir, ja?«
    »Walter hat sich ganz dem Hier und Jetzt ausgeliefert, ist dabei aber gestrandet. Dann gingen, glaube ich, seine Gefühle mit ihm durch, und er wußte nichts Besseres, als noch sentimentaler an sein Leben heranzugehen, was ihn prompt alles bereuen ließ. Wenn er den heutigen Tag noch überstanden hätte, wäre alles in Ordnung gewesen, glaube ich.« Ich nehme ein Streichholzheftchen vom Americana von der Küchentheke und sehe mir die Anschrift und Telefonnummer an. Darunter liegt eine Ausgabe von Bimini Today mit einem langen, silbrig schimmernden Strand auf dem Titelbild. Ich lege die Streichhölzer wieder hin.
    »Glaubst du, du hättest ihm helfen sollen?« fragt X, immer noch lächelnd. »Er scheint so konventionell. Allein, wenn man sich hier so umsieht.«
    »Er hätte sich selber helfen sollen«, ist meine Antwort, und das ist auch meine Überzeugung. »Man kann gar nicht konventionell genug sein. Das wird einen schließlich retten.« Und einen Moment lang übermannt mich ein plötzlicher, unerwünschter Schmerz: Es schmerzt mich wohl, daß Möglichkeiten mißdeutet worden sind, daß Trost nicht angenommen worden ist (und genau darum geht es ja beim Schmerz). Ich teile, ich kenne – und nur einen Moment lang – den Schmerz, den der arme Walter allein hier gespürt haben muß, aber nicht hätte spüren müssen. Das hier ist kein wirklich guter Raum. Hier ist wenig Nahrung für kleine Rätsel und Hoffnungen und Vorfreude – doch andererseits ist hier auch nichts so verderblich oder so einsam, daß damit nicht fertig zu werden wäre. Ich könnte hier durchhalten, bis ich den richtigen Weg gefunden hätte, aber ich würde zusehen, daß es schnell geht.
    »Du machst ein Gesicht, als wäre dein bester Freund gestorben, Schatz«, sagt X.
    Ich antworte mit einem Lächeln, und sie steht in dem düsteren, nach Tod riechenden Zimmer auf, ist größer, als ich sie mir gewöhnlich vorstelle, mit einem Schatten, der bis zu der knotigen Decke reicht.
    »Laß uns gehen«, sagt sie und lächelt freundlich zurück.
    Ich denke kurz an die Gläser, die Walter wahrscheinlich besaß, bin mir sicher, daß meine Vermutung über sie richtig war, aber ich werde mir nicht die Mühe machen, nachzusehen. »Gerade eben«, sage ich, »hatte ich plötzlich das Gefühl, daß wir uns lieben sollten. Laß uns die Tür dort zumachen und ins Bett gehen.«
    X starrt mich mit grimmiger Miene ungläubig an. (Ich sehe, daß der Gedanke sie entsetzt, und ich wollte, ich könnte die Worte sofort wieder zurücknehmen, denn es war ein unsinniger Vorschlag, und kein Wort davon war ernst gemeint.) »Wir tun das nicht mehr. Hast du das vergessen?« sagt X bitter. »Wir sind geschieden. Du bist wirklich ein

Weitere Kostenlose Bücher