Sportreporter
ich nicht frei wählen konnte und daß alles anders kommen würde, und eine Zeitlang hatte ich dann nostalgische Gefühle, aber danach wurde meine dumpfe Verdrossenheit noch größer, so daß mir die Ärzte schließlich Antidepressiva gaben, um mich von diesen Gedanken wegzubringen, und das gelang auch. (Das stößt vielen Leuten zu, die in jungen Jahren krank werden, und es kann in der Tat ein ganzes Leben zugrunde richten.)
Bei mir führte es jedoch dazu, daß ich aufs College zurückkehrte, da ich ja nur ein Semester verloren hatte, und mich – das war 1967 – nun konkret mit dem Gedanken trug, der mich schon beschäftigte, seit ich in Lonesome Pines die Seefahrtstagebücher Joshua Slocums gelesen hatte, dem Gedanken nämlich, einen Roman zu schreiben. Er sollte sich um einen verträumten jungen Südstaatler drehen, der zur Navy geht, mit einer geheimnisvollen Krankheit, aber bald wieder entlassen wird, daraufhin nach New Orleans geht, sich in einer undurchsichtigen Welt aus Sex und Drogen und Gerüchten von Waffenschmuggel verliert und den vergeblichen Versuch unternimmt, eine schwindelerregende Gegenwart mit dem schuldbeladenen Wissen, nicht an der Seite seiner Navy-Kameraden gefallen zu sein, in Einklang zu bringen, und das alles gipfelt dann in einer leidenschaftlichen Begegnung mit der Frau eines Methodistenpfarrers, die ihn in einer verlassenen Sklavenwohnung – und danach noch öfter – verführt, bis sein Leben schließlich zerstört ist und seine Spur sich für immer in den texanischen Ölfeldern verliert. Das Ganze wurde in einer Kette von Rückblenden erzählt.
Diesen Roman nannte ich Nachtflügel , nach dem Titel eines gefühlvollen Seegemäldes, das im Klubraum des Sigma Chi-Hauses über der Couch hing (als Motto stellte ich dem Ganzen ein Zitat von Marvell voran). Mitten in meinem letzten Jahr an der Universität packte ich es ein und schickte es an einen Verleger in New York, der ein halbes Jahr später zurückschrieb, es sei »vielversprechend«, und er würde gern »noch mehr« von mir lesen. Das Manuskript ging in der Post verloren, und ich sah es nie wieder, und ich hatte natürlich keine Kopie zurückbehalten. Doch an die ersten Zeilen kann ich mich so gut erinnern, als hätte ich sie heute morgen geschrieben. Sie schilderten den Abend, an dem der Erzähler der Geschichte empfangen wird: »Es war 1944, und es war April. Der Hartriegel blühte in Memphis. Die Japaner hatten noch nicht nachgegeben, und der Krieg ging stetig weiter. Sein Vater kam müde von der Arbeit nach Hause und genehmigte sich einen Drink, ohne etwas von den Männern zu ahnen, die weiße Mäntel trugen und Code-Namen hatten und sich in diesem Augenblick eine Atombombe ausmalten …«
Nach Abschluß des Studiums kaufte ich mir einen Wagen und fuhr schnurstracks an die Westküste, wo ich mir in Manhattan Beach in Kalifornien ein Zimmer mietete und vier Wochen lang durch den Sand spazierte, die Frauen und die Bohrtürme angaffte, dabei aber nicht viel sah, worüber zu schreiben sich gelohnt hätte – denn das hatte ich mir für die Zukunft vorgenommen. Ich bezog mittlerweile eine Invaliditätsrente von der Navy, die eigentlich zur Bezahlung von Studiengebühren gedacht war, und ich hatte zum Glück eine Frau kennengelernt, die in der Finanzverwaltung des Los Angeles City College arbeitete, die Schecks für mich einlöste und sie mir auch nachschickte, als ich nach Mexiko in das Dorf San Miguel Tehuantepec zog, um wie ein richtiger Schriftsteller zu leben und Geschichten zu schreiben.
In den sechs Monaten nach meiner gehetzten Ankunft schrieb ich zehn Storys – darunter auch eine Kurzfassung von Nachtflügel . Ohne mich mit einzelnen Geschichten an Zeitschriften zu wenden, schickte ich das ganze Buch an den Verleger, mit dem ich im Jahr vorher Kontakt gehabt hatte, und er schrieb mir innerhalb von vier Wochen, sein Verlag sei möglicherweise bereit, das Buch mit ein paar Änderungen herauszubringen; ich kam den Wünschen nur zu gern nach und schickte das Paket sofort zurück. Er ermunterte mich, beim Schreiben zu bleiben, was ich auch tat, wenngleich ohne große Begeisterung. Ich hatte, auch wenn das damals keiner wußte, alles geschrieben, was ich zu schreiben hatte, und daran ist nichts auszusetzen. Wenn mehr Schriftsteller zu dieser Erkenntnis kämen, blieben der Welt viele schlechte Bücher erspart, und mehr Menschen – Männer wie Frauen – könnten fortan ein glücklicheres, produktiveres Leben führen.
Der
Weitere Kostenlose Bücher