Sportreporter
habe einen Riecher für eine gute Schreibe von der Art, wie er sie in meinem Artikel über den texanischen Millionär-Betrüger-Samariter gelesen habe. Er sagte, er habe in meinem Text etwas Komplexes und dennoch Abgebrühtes gespürt, vor allem in der Art, wie ich mich bemüht hätte, aus dem alten Mittelfeldler weder einen Schurken noch einen strahlenden Helden zu machen, und er habe den Verdacht, daß ich für diese Art von Arbeit möglicherweise genau das richtige Temperament und den Blick fürs Detail hätte, er halte es aber für ebensogut möglich, daß ich den ganzen Anruf für einen Witz nähme. Gleich am nächsten Morgen fuhr ich mit der Bahn rauf und unterhielt mich lange mit dem Mann, der mich angerufen hatte, einem fetten, blauäugigen Chicagoer namens Art Fox, und seinen jungen Assistenten; wir saßen in den mit Eichenstühlen ausgestatteten alten Büroräumen, Ecke Madison Avenue und 45. Straße, in denen das Magazin damals hauste. Art Fox sagte, wenn man ein Mann in diesem Land sei, wisse man wahrscheinlich schon genug, um ein guter Sportreporter zu sein. Wichtiger als alles andere, meinte er, sei die Bereitschaft, etwas sehr Ähnliches immer und immer wieder zu beobachten, und dann die Fähigkeit, in zwei Tagen darüber schreiben zu können; dazu komme das richtige Verständnis für die Tatsache, daß man immer über Menschen schreibe, die das tun wollten, was sie tun, sonst würden sie’s nicht tun; darin liege die einzige Eindringlichkeit, die der Sportjournalismus aufbieten könne, aber auch der Schlüssel zur Überwindung der dem Sport selbst innewohnenden Belanglosigkeit. Nach dem Essen ging er mit mir hinaus in den großen Raum voller altmodischer Trennwände zwischen den Arbeitsplätzen, die noch mit Schreibmaschinen und hölzernen Schreibtischen ausgestattet waren, und machte mich mit allen bekannt. Ich schüttelte jedem die Hand und hörte mir geduldig an, was sie zu sagen hatten (niemand erwähnte meine Short Storys), und um drei Uhr fuhr ich in Hochstimmung nach Hause. An diesem Abend ging ich mit X zu einem teuren Essen mit Champagner in den Goldenen Fasan , schleppte sie mit zu einem romantischen Mondscheinspaziergang den Treidelpfad hinauf, in eine Richtung, die wir noch nie gegangen waren, erzählte ihr von den Dingen, die mir durch den Kopf gingen, von allem, was wir uns meiner Meinung nach von einer solchen Verpflichtung praktisch erhoffen konnten (ich erhoffte mir eine Menge), und sie sagte schlicht, für sie höre sich das alles sehr gut an. Es war, wenn ich zurückblicke, tatsächlich einer der glücklichsten Augenblicke meines Lebens.
Der Rest, wie es so schön heißt, ist Geschichte, bis einige Jahre später mein Sohn Ralph am Reyeschen Syndrom erkrankte und starb und ich mich in meine Träume stürzte, die sein Tod ausgelöst haben mag oder zumindest nicht verhindert hat, und mein Leben mit X ging in die Brüche, nachdem wir eines Abends The Thirty-Nine Steps gesehen hatten, was sie dazu veranlaßte, ihre Aussteuertruhe durch den Schornstein zu jagen.
Aber ich bin mir, wie ich oben schon sagen wollte, nicht sicher, ob das alles irgend etwas beweist. Wir alle haben unsere Vergangenheit. Einige von uns haben Karriere gemacht, andere stehen mies da. Irgend etwas hat uns da hingebracht, wo wir stehen, und niemandes Vergangenheit hätte einen anderen Tom, Dick oder Harry an seine Stelle bringen können. Und für mich begrenzt diese Tatsache letztlich den Nutzen dieser Geschichten. In dem Maße, in dem Geschichte unvollständig begriffen oder gar nicht aufgedeckt oder nur schlicht erfunden wird, stimmt es wohl, daß sie Rätsel schaffen kann. Und ich habe immer großes Interesse an den Rätseln des Lebens, von denen es nie zu viele gibt und die gewiß etwas ganz anderes sind als die eben erwähnten Träume. Diese Verträumtheit ist unter anderem ein Zustand, in dem die Erkenntnisfähigkeit vorübergehend aufgehoben ist, eine Reaktion auf zuviel nutzlose und komplizierte Tatsächlichkeit. Ihre Symptome können ein langfristiges Interesse am Wetter sein oder ein anhaltendes Gefühl des Schwebens oder ein Kampf der starren Blicke, von denen du manchmal gar nichts wissen kannst, es sei denn, später im Rückblick, wenn die Zeit die Dinge vielleicht verschwimmen läßt. Solange du jung bist und das Träumen erträgst, ist es nicht so schlimm, und in mancher Hinsicht ist es normal und sogar angenehm.
Aber wenn du in mein Alter kommst, ist die Verträumtheit nicht so angenehm,
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