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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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irgendwie könne, und zum Lernen sei man nie zu alt, und ich stimme ihm aus ganzem Herzen zu, obwohl ich in Herbs Stimme eine nervöse Förmlichkeit spüre, die ich nicht ganz deuten kann, gerade so, als störe ihn etwas, als wolle er darum aber im Augenblick keinen Wirbel machen. Es könnten ohne weiteres die Probleme in der Mannschaft sein, von denen in letzter Zeit zu hören war. Aber höchstwahrscheinlich ist das bei jedem Rollstuhlfahrer so: Wenn du mit den Gewichten gearbeitet, gut gefrühstückt, die Toilette benutzt, die Zeitung gelesen und gebadet hast, was bleibt dir dann für den Rest des Tages anderes zu tun, als Nachrichtensendungen anzuhören, dich abzukapseln und in dich zu gehen? Ein gutes Taktgefühl kann das Leben erträglich machen, während du sonst vielleicht versucht wärst, dir eine Kugel durch den Kopf zu jagen.
    »Also, ich freu mich richtig auf Ihren Besuch, Frank.« Wir sind uns noch nie begegnet und haben nur ein einziges Mal miteinander telefoniert, aber ich habe jetzt schon das Gefühl, ihn zu kennen.
    »Ich freu mich auch, Herb.«
    »Es fehlt einem doch eine ganze Menge«, sagt Herb. »Sicher, das Fernsehen ist gut. Aber es reicht nicht.«
    »Wir werden uns gut verstehen, Herb.«
    »Wir werden unseren Spaß haben, da bin ich sicher.«
    »Das will ich meinen. Also dann, bis morgen.«
    »Okay, Frank. Ich wünsch Ihnen was, gute Reise und so.«
    »Danke, Herb.«
    »Immer auf dem laufenden bleiben, Frank. Haha.« Herb legt auf.
    Was von meiner Vergangenheit sonst noch zu erzählen ist, läßt sich in einer New Yorker Minute abhaken. An der Universität von Michigan studierte ich Geisteswissenschaften (innerhalb des NROTC-Programms). Ich belegte sämtliche Kurse und Vorlesungen, die verlangt wurden, einschließlich Latein, schrieb für den Daily blumige, kleine, allzu empfindsame Filmkritiken und verbrachte den Rest der Zeit mit hochgelegten Beinen im Sigma Chi-Verbindungshaus, wo ich 1965 an einem frischen Herbsttag X kennenlernte, die in diesem Semester meinen Verbindungsbruder Laddy Nozar aus Benton Harbor zu allen Partys begleitete und die auf mich linkisch und zu ernst wirkte und nicht wie ein Mädchen, mit dem ich gern einmal ausgehen würde. Sie hatte eine sehr athletische Figur mit allem Anschein nach zu großen Brüsten, und die Art, wie sie oft – ein Bein vorgeschoben und leicht nach außen gestellt – mit verschränkten Armen dastand, gab dir das Gefühl, daß sie dich genüßlich taxierte. Sie kam mir wie ein reiches Mädchen vor, und ich redete mir ein, reiche Michigan-Mädchen nicht zu mögen. Folglich verlor ich sie aus den Augen und sah sie erst 1969 in New York bei dieser öden Signierstunde wieder, kurze Zeit, bevor ich sie heiratete.
    Nicht lange nach – aber nicht wegen – unserer ersten Begegnung brach ich mein Studium ab und ging zu den Marines. Das war mitten im Krieg, und es schien – mit meiner militärischen Orientierung – die richtige Entscheidung, und die NROTC-Leute hatten nichts dagegen. Tatsächlich meldete ich mich mit Laddy Nozar und zwei anderen Jungs beim alten Postamt an der Main Street in Ann Arbor, und wir mußten da zuerst eine unangenehme Kette von Protestierenden überwinden. Laddy Nozar ging nach Vietnam, kam zu den Third Marines und fiel bei Con Thien. Die beiden anderen brachten ihre Dienstzeit zu Ende und betreiben heute eine Werbeagentur in Aurora, Illinois. Ich zog mir, wie das so geht, eine Bauchspeicheldrüsengeschichte zu, die von den Ärzten für die Hodgkinsche Krankheit gehalten wurde, die sich aber als gutartig herausstellte, und nach zwei Monaten in Camp Lejeune wurde ich entlassen, ohne daß ich jemanden umbrachte oder selbst umgebracht wurde; dennoch erhielt ich den Status des ehemaligen Kriegsteilnehmers und die entsprechenden Vergünstigungen.
    Als das geschah, war ich einundzwanzig Jahre alt, und ich berichte davon nur, weil es, soweit ich mich erinnere, das erste Mal in meinem Leben war, daß ich mich wie im Traum fühlte, obwohl meine Empfindungen zu der Zeit nicht so angenehm waren; damals hätte ich wahrscheinlich gesagt, ich fühlte mich dumpf und verdrossen. In meinem Bett im Navy-Lazarett in North Carolina dachte ich an nichts anderes als ans Sterben, was mich eine Zeitlang interessierte. Ich dachte darüber nach wie ein Baseballspieler, der sich über die Taktik Gedanken macht, entschied mal so, mal so, sah mich tot, dann lebend, dann wieder tot, als gehe es um Überlegungen und Optionen. Dann wurde mir klar, daß

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