Sportreporter
Kameradschaft. Ich hoffe immer, daß sich eine große Überraschung dort auftut, wo sie immer schon möglich war – in der Kameradschaft unter Profis, in der Freundschaft unter Ebenbürtigen, in Liebe und Leidenschaft. Nur: Wenn die Tatsachen klar herausgestellt werden, kann ich es nicht ertragen und fliehe, so schnell ich kann – zu Vicki oder ins nächtelange Betrachten von Katalogen in meiner Frühstücksnische oder ins Schreiben einer guten Sportgeschichte oder in eine weit entfernte Stadt zu einer Frau, die ich mit Sicherheit nie wieder sehen werde. Es ist genau wie damals, als du noch jünger warst und immer vom gemeinsamen Familienurlaub geträumt hast; doch nach der Reise sahst du dich den leeren Hülsen deiner Träume und der Angst gegenüber, daß so das Leben im wesentlichen aussehen wird – um dich herum die leeren Hülsen deiner Träume. Ich werde wohl immer die Angst haben, daß, was immer gerade ist, alles ist.
Trotzdem habe ich die Angelausflüge der »Geschiedenen Männer« durchaus genossen. Ich habe es mir angewöhnt, nicht etwa eine Angelrute zu mieten, sondern ein bißchen umherzugehen, mit den anderen, die angeln wie die Teufel, sarkastische Bemerkungen auszutauschen, ihnen ein Bier zu holen, mich in der Kabine vor den Fernseher zu setzen oder ganz nach oben zu gehen und zusammen mit Ben das Sonargerät zu beobachten, wo er auf dem dunklen grünen Schirm die Fische wie Wolken aus weißem Metall erkennen kann. Ben kann sich nie an meinen Namen erinnern, doch nach einer Weile erkennt er in mir jemanden namens John, und wir unterhalten uns über alles mögliche, über die Wirtschaftslage oder russische Fischerboote oder Baseball, ein Thema, für das Ben sich fanatisch interessiert und das von Mann zu Mann ein gutes Bindeglied abgibt.
Beim gestrigen Ausflug beendete ich den Tag mit dem, was ich am liebsten tue: Ich stand an der eisernen Reling in der Nähe des Bugs der ›Mantoloking Belle‹ und blickte hinaus auf die Lichterketten am Ufer New Jerseys, die in der hereinbrechenden Dämmerung heller wurden, und gab mich staunend meinen Illusionen hin – wie ein Kolumbus oder ein Pilgervater, der in der hereinbrechenden Dämmerung zum ersten Mal den Kontinent seiner Träume Gestalt annehmen sieht. Für den Abend hatte ich vor, um acht bei Vicki zu sein, sie mit einem intimen deutschen Essen in Truegel’s Red Palace am Fluß in Lambertville zu überraschen – zur Feier unserer zwei Monate alten Liebe –, und sie dann früh zu Hause zu haben. Insgesamt keine üblen Aussichten.
Nicht weit von mir an der Reling und, wie ich, in die mit Lichtpunkten durchsetzte Finsternis hinausblickend, stand Walter Luckett, nachdenklich wie ein Richter und an diesem Frühlingsabend möglicherweise frierend, was aus der Art zu schließen war, wie er über die Ellbogen gebeugt dastand.
Walter ist das neueste Mitglied der »Geschiedenen Männer«. Er nahm Rocko Fergusons Platz ein, als Rocko wieder heiratete und runter nach Philadelphia zog, und kam als alter Bekannter Carter Knotts von der Harvard Business School in den Klub. Walter kommt aus Coshocton in Ohio, hat am Grinnell College studiert und spricht Ohio aus, als habe es vorn und hinten ein U. Er arbeitet als Unternehmensberater für Dexter & Warburton in New York und sieht mit seiner Schildpattbrille und den kurzen, glatten Haaren auch so aus. Auf dem Weg zur Arbeit entdecke ich ihn gelegentlich am Bahnsteig, aber wir unterhalten uns nur selten. Tatsächlich weiß ich sonst fast nichts von ihm. Carter Knott erzählte mir, Walters Frau Yolanda habe ihn verlassen und sei mit einem Wasserskilehrer nach Bimini durchgebrannt; es sei für ihn ein großer Schock gewesen, aber er scheine die Dinge nun »besser im Griff zu haben«. Das könnte natürlich jedem von uns passieren, und die »Geschiedenen Männer« waren da wohl genau das Richtige für ihn.
Einmal bin ich nach elf noch zur Weirkeeper’s Tavern rüber – ich mache das hin und wieder, um die späte Sportsendung auf der großen Leinwand sehen zu können –, und da saß Walter, ein wenig betrunken und redselig. Als er brüllte: »He, Frank! Wo sind all die Weiber?«, konnte ich es kaum erwarten, wieder zu gehen.
Ein anderes Mal kam Walter dazu, als ich abends zur Essenszeit im Coffee Spot war. Er setzte sich mir gegenüber, und wir unterhielten uns über die jungen Leute von der Handelskammer, die für ihn nur ein Haufen Heuchler waren, und über die Qualität der Seidenunterwäsche, die einem in den
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