Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
Vom Netzwerk:
meisten Katalogen angeboten wurde. Einiges davon, sagte er, werde in Korea hergestellt, aber das Beste komme direkt aus China; es war einer seiner Unternehmensbereiche. Und dann saßen wir lange Zeit nur da – wie hundert Jahre kam es mir vor –, während unsere Blicke einen Punkt suchten, an dem sie sich festhalten konnten, bis sie sich schließlich ineinanderbohrten. Und dann saßen wir da und starrten uns an, vier, fünf schreckliche, schreckliche Minuten lang; dann stand Walter einfach auf und ging aus dem Lokal, ohne etwas bestellt oder noch ein weiteres Wort gesagt zu haben. Er hat später diesen schrecklichen Moment nie erwähnt, und ich versuche seither – ehrlich gesagt –, ihm aus dem Weg zu gehen, und ich weiß auch, daß er mindestens zweimal das August betrat, mich sah und wieder kehrtmachte – und dafür hat er meine Achtung. Alles in allem glaube ich, ich mag Walter Luckett. Er gehört eigentlich ebensowenig in einen Klub geschiedener Männer wie ich, aber er ist bereit, es ehrlich damit zu versuchen, nicht etwa, weil er glaubt, daß es ihm dort irgendwann je gefallen wird oder daß es genau das ist, was ihm immer gefehlt hat, sondern weil die Mitgliedschaft in dem Klub in mancher Hinsicht das letzte ist, was er sich überhaupt vorstellen kann, und weil er wahrscheinlich das Gefühl hat, er sollte allein schon aus dem Grund mitmachen. Wir sollten alle wissen, was am Ende der Fahnenstange auf uns wartet und was für ein Gefühl es ist, dort angelangt zu sein.
    »Weißt du, warum ich so gern hier stehe und zur Küste hinüberblicke, Frank?« sagte Walter leise, nachdem ich es abgelehnt hatte, ein Wort zu sagen.
    »Nein, Walter, warum?« Ich war überrascht, daß er mich überhaupt bemerkt hatte. Walter hatte am Nachmittag einen einzigen Seebarsch herausgeholt, den größten von allen, und danach hatte er mit dem Angeln aufgehört und es sich mit einem Buch auf einer der Sitzbänke bequem gemacht.
    »Ich seh die Dinge gern aus einem Winkel, aus dem ich sie sonst nicht erlebe. Verstehst du, was ich sagen will?«
    »Sicher«, sagte ich.
    »Dort drüben verbringe ich jeden Tag, fest im Leben verankert. Dann fahr ich ein, zwei Meilen hier raus, und es ist dunkel, und plötzlich ist alles anders. Besser. Stimmt’s?« Walter dreht sich nach mir um. Er ist kein großer Mann, und heute abend trägt er kurze weiße Hosen, ein altes blaues Polohemd und Segeltuchschuhe; dadurch wirkt er noch kleiner, als er ohnehin schon ist.
    »Es scheint besser. Wahrscheinlich kommen wir deshalb hier raus.«
    »Stimmt«, sagte Walter und starrte eine Zeitlang hinüber zu der geheimnisvoll strahlenden Küstenlinie, während das Wasser geräuschvoll gegen die Schiffswand klatschte. Weit weg im Norden sah ich den Widerschein des Riesenrads im Asbury Park und direkt dahinter den Eisschrank-Schimmer über Gotham. Es war tröstlich, diese Lichter zu sehen und zu wissen, daß dort Menschen lebten und daß ich hier und am Leben war. Und für den Augenblick war ich froh, mitgekommen zu sein, und ich fand, daß die »Geschiedenen Männer« alles Typen waren, mit denen man wirklich etwas anfangen konnte. Die meisten waren jetzt in der Hauptkabine, wo sie mit den Spanelis’ plauderten und sich prächtig unterhielten. »So seh ich es aber nicht immer, Frank«, sagte Walter nüchtern, die Hände gefaltet, die Unterarme auf der Reling liegend.
    »Wie siehst du’s denn gewöhnlich, Walter?«
    »Nun gut. Es ist komisch. In meiner Kindheit im Osten von Ohio machte meine Familie oft lange Reisen. Ziemlich lange, jedenfalls. Von Coshocton im östlichen Teil des Staates bis nach Timewell in Illinois, und zwar im westlichen Teil von Illinois. Und dabei geht es nur durchs flache Land, ein Landkreis ist wie der andere. Während meine Schwester im Auto ihre eigenen Spiele machte, die mit Radkappen und Glückszahlen auf Nummernschildern und was weiß ich zu tun hatten, konzentrierte ich mich immer darauf, mir bestimmte Dinge einzuprägen – ein Haus oder vielleicht einen Silo oder eine kleine Anhöhe oder auch nur einen Haufen Schweine, irgend etwas, an das ich mich auf der Rückfahrt würde erinnern können. Damit es für mich dasselbe sein würde, alles Teil derselben Erfahrung, nehme ich an. Wahrscheinlich tun das alle. Ich tu’s immer noch. Du nicht?« Als Walter mich wieder ansah, fing seine Brille etwas von der Uferbeleuchtung ein und funkelte mich an.
    »Ich glaube, ich bin da das genaue Gegenteil, Walter«, sagte ich. »Für mich ist die

Weitere Kostenlose Bücher