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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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saß in »Amerikanische Präsidenten und ihre Außenpolitik im 20. Jahrhundert«, die anderen in Kursen wie »Grundlagen der Aquarellmalerei« oder »Geradlinig denken und reden«, und wir standen in den Pausen immer um die Kaffeemaschine herum und hielten den Blick von den armen, traurigen, hageren geschiedenen Frauen abgewandt, die mit uns nach Hause gehen und um vier Uhr morgens in Tränen ausbrechen wollten. Eins kam zum anderen, und als unsere Kurse zur Hälfte vorbei waren, hatten wir es uns schon angewöhnt, zur August Inn rüberzufahren, von Angelreisen nach Alaska und Spielerverkäufen im Baseball zu plaudern, die Eigenarten der anderen ausfindig zu machen und uns gegenseitig mit komischen Namen zu bedenken, wie »Knöterich« für Carter Knott, »Basset« für Frank Bascombe, »Jay-Jay« für Jay Pilcher – der kaum ein Jahr später allein in seinem Haus an einem Gehirntumor starb, von dem er nicht einmal gewußt hatte. Perfekte Babbits im Grunde, wir alle, auch wenn wir das bis zu einem gewissen Grade verstanden.
    Gewissermaßen kann man sagen, daß wir alle verloren waren und sind und es auch wissen, und wir versuchen einfach, uns in dieser Verlorenheit möglichst bequem, mit möglichst guten Manieren und möglichst wenig Neugier einzurichten. Und der einzige Grund, weshalb wir noch nicht ausgestiegen sind, ist vielleicht der, daß uns kein zwingender Grund dafür einfällt. Denn wenn uns ein guter Grund einfällt, werden wir ohne Zweifel alle sofort aussteigen. Und ich bin vielleicht bald soweit.
    Aber das ist noch nicht der springende Punkt, sondern nur eine Station auf dem Weg dorthin.
    Gestern war der Tag unseres Frühjahrsausflugs, bei dem wir immer draußen vor Brielle Plattfische und Seebarsche angeln. Knöterich Knott organisierte alles, und wir bekommen zwar zu dem Preis, den wir bezahlen, kein Boot für uns allein, aber gewöhnlich bucht Ben Mouzakis für den Nachmittag einfach eine Gruppe sympathischer Männer dazu und fährt mit uns zum Selbstkostenpreis raus, da er weiß, wir werden es in Haddam weitererzählen und zudem im nächsten Jahr wiederkommen, und außerdem glaube ich, daß unsere Gesellschaft ihm einfach Spaß macht. Einen Nachmittag lang sind wir alle verträgliche Burschen.
    Ich war von Haddam in der niedergeschlagenen Stimmung weggefahren, in die ich am Tag vor Ralphs Geburtstag immer gerate. Es hatte, genau wie heute, in der Frühe geregnet, doch als ich den Verkehrskreisel in Neptune hinter mir hatte und die Richtung zu den Shore Points im Süden einschlug, war der Regen hinauf in die Amboys gestürmt und ließ mich in der suprarealen Strandsonne im Verkehrslärm am Shark River völlig durchnäßt zurück, von meinen Jersey-Nachbarn so wenig zu unterscheiden wie ein Drogist aus Sea Girt.
    Es ist natürlich eine Anonymität, die ich mir wünsche. Und New Jersey bietet davon eine ganze Menge. Ein flüchtiger Blick von der Bahnbrücke in Avon hinunter auf die Anlegestellen der Ausflugsboote, wo die Plastikfähnchen im Tanz der Küstenwinde flattern, macht mir immer klar, daß jeder dieser stämmigen Bermudashorts-Typen, die zusammen mit ihren stämmigen Frauen ungeduldig darauf warten, daß die ›Sea Fox‹ die Anker lichtet oder die ›Jersey Lady‹ ablegt, ebensogut ich sein könnte, der gleich rausfahren und vor Mantoloking oder Deauville nach Seeteufeln angeln will. Solche willkürlichen Gleichsetzungen sehe ich immer als eine gute Übung an. Wenn du glaubst, du seist so wie deine Mitmenschen, bist du besser dran, als wenn du glaubst – wie einige Professoren, die ich am Berkshire College kennengelernt habe –, kein Mensch komme dir gleich oder könne dich ersetzen, denn das ist verrückt und führt geradewegs in das schwermütige Verlangen nach einem Leben, das nie existiert hat, und du gibst dich damit der Lächerlichkeit preis.
    Jedermann könnte in den meisten Punkten jeder andere sein. Stellen wir uns doch den Tatsachen.
    Vielleicht lag es an meiner eigenen Nervosität, aber die Bermudashorts-Typen an den Bootsstegen sahen gestern aus der Ferne nicht gerade optimistisch aus. Es kam mir so vor, als ob sie wiederholt ihre Frauen stehenließen, um O-beinig über den Bootssteg zu schlendern, die Arme verschränkt, die Gesichter in der blassen Sonne verdrossen und ihrem angeborenen Jersey-Pessimismus freien Lauf ließen, daß der Tag danebengehen könnte, ja, danebengehen mußte . Irgend jemand würde ihnen für eine unerwünschte und unbedeutende Dienstleistung zuviel

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