Sportreporter
versuche, sie mit größtem Eifer in die Irre zu führen und ihnen zu beweisen, daß es mit meiner Gegenwart eine Kontinuität in ihrem jungen Leben gibt. Von Zeit zu Zeit unterbreche ich meine jeweilige Arbeit und stapfe nach oben, um sie zu hänseln und mit ihnen zu flirten, ihre Fragen zu beantworten, sie aus der Reserve zu locken und den Versuch zu machen, sie auf einfachem, geradem Weg für mich zurückzugewinnen, eine Strategie, die sie durchschauen, die sie sich aber gefallen lassen, weil sie mich lieben, wissen, daß ich sie liebe, und weil sie im Grunde gar keine Wahl haben. Wir sind – alle vier – eine feste und geteilte Familie, und wir tun unser möglichstes, unsere Pflicht klar zu sehen.
Gestern abend hatte ich vor, vielleicht erst mal auf einen Drink zu bleiben, die Kinder zu Bett zu bringen, ein halbes Stündchen mit X zu quasseln und dann möglicherweise die Nacht auf der Couch zu verbringen, etwas, was ich schon länger nicht mehr getan habe (genaugenommen, seit ich Vicki kenne), was mir aber plötzlich ein heftiges Bedürfnis war.
Wenn ich aber mit dem Hut in der Hand hingegangen wäre, um melancholischen Vaterpflichten nachzukommen, hätte ich möglicherweise bei einem intime gestört – die Kinder zum Übernachten bei den Armentis, die Lichter schön hell, weil das für eine bittersüße Erregung unter Erwachsenen, die schon viel mitgemacht haben, die beste Atmosphäre schafft und auch den Nachbarn nützt, die interessiert verfolgen, wie eine stolze Frau versucht, aus einem zerbrochenen Leben das beste zu machen. Der Blitz hätte mich getroffen, wäre ich irgendeinem gutgekleideten Typ aus einer Direktionsetage in die Quere gekommen, mit verliebten Augen breit auf jener Couch sitzend, auf der ich gern die Nacht verbracht hätte. X hätte dann zu Recht gesagt, ich torpedierte ihre Versuche, die Füße auf den Boden zu bekommen, und der Typ hätte mich zu Recht rausgeworfen oder mit den Fäusten bearbeitet. Und am Ende hätten wir beide gehen müssen (die zwei Männer müssen immer allein in die Nacht hinaus, obwohl es gelegentlich vorkommt, daß sie Freunde werden, wenn sie sich später in einer Kneipe wiedersehen).
Mein Szenario hatte jedenfalls seinen Glanz verloren, und ich blieb im dunklen Unterholz zurück, den störenden blauen Wagen vor Augen, und konnte nichts anderes tun, als die stinkvornehme Luft einzuatmen und X’ Straße gutzuheißen. Mit seinen exakt fünfzehn Meter breiten Grundstücken, seinen alten Maulbeerbäumen und schnurgeraden Gehwegen ist The Presidents tatsächlich eine ausgezeichnete Wohngegend für eine junge, geschiedene Frau mit Kindern, stabilen Vermögensverhältnissen und einem Hang zur Unabhängigkeit. Die Straße rauf und runter leben andere Freigeister, junge Leute auf dem Weg nach oben, scharfsinnige Idealisten, die eine gute Geldanlage rochen und rasch handelten und nun auf beträchtlichen Werten sitzen. Die italienischen Einwanderer, die diese Häuser (teilweise direkt aus Versandhauskatalogen) gebaut haben, wohnen heute lieber in Delray Beach und Fort Myers, wo die Nachbarn mehr in ihrem eigenen Alter sind, und haben die alte Umgebung den Jungen überlassen, wenn auch kaum ihren eigenen Jungen, denn die ziehen Anlagen wie Pheasant Run und Kendall Park vor. Die Banken haben sich in puncto Hypotheken und Zinsschwankungen verständnisvoll gezeigt, und in der Folge haben die jungen Liberalen – die meisten von ihnen erfolgreiche Börsenmakler, Redenschreiber für Direktoren und Pflichtverteidiger – eine stolze, fest zusammengewachsene Wohnsiedlung ebenso wiederbelebt wie gewisse, an den Grundstückswert gebundene ethische Werte, nach denen sich beispielsweise jeder um die Kinder der anderen kümmert und seinen eigenen Espresso mahlt. Strahlende neue Fassaden und frische Farben. Neu gegrabene Fundamente. Ein mit neuen Ziegeln gedecktes Regenvordach. Schmucke Hausnummern im Stil des Art deco und eine Fensterscheibe aus dezentem, selbst gefertigtem Buntglas. Alles verheißungsvoll modern.
X ist hier bestimmt glücklich. Meine Kinder haben nicht weit zu ihrer Schule, zu ihren Freunden und zu mir. Es ist zwar nicht so wie in der Hoving Road, wo wir einst alle unser Zuhause hatten, aber die Dinge ändern sich nun mal in einer Weise, die keiner von uns vorhersehen kann, ganz gleich, wie verdammt viel wir auch wissen oder wie klug und wohlmeinend jeder von uns ist oder zu sein glaubt. Wer konnte wissen, daß Ralph sterben würde? Wer konnte wissen, daß
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