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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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sich nach dem Thunderbird um. »Den Litzes.« (Nachbar, Rechtsanwalt, kein Problem.) »Kommst du mit rein?«
    »Ich wollte nur mal kurz vorbeischauen, Streifenwagen spielen.«
    »Clary schläft. Mama guckt Nachrichten an«, sagte Paul, der die Eigenart seiner Mutter übernahm, den bestimmten Artikel wegzulassen, eine Eigenart des mittleren Westens. Sie hat Masern. Reich mal Butter rüber.
    »Wer war denn das eben, den du freigelassen hast?«
    »Der olle Vassar.« Paul blickte die Straße rauf. Paul tauft seine Vögel nach Hillbilly-Sängern – Ernest, Chet, Loretta, Bobby, Jerry Lee – und hat sich die Vorliebe seines Vaters für olle als pures Kosewort zu eigen gemacht. Ich hätte ihn durchs Fenster ziehen und an mich drücken können, bis wir beide geschrien hätten – so sehr liebte ich ihn in diesem Augenblick. »Ich hab ihn aber nicht direkt freigelassen.«
    »Der olle Vassar hat also erst noch einen Auftrag zu erledigen?«
    »Genau«, sagte Paul und blickte zu Boden. Ich wußte, daß ich ihm in seiner Ungestörtheit, von der er mehr als genug hatte, lästig wurde. Aber ich wußte, daß es ihm ein Bedürfnis war, jetzt über Vassar zu reden.
    »Welchen Auftrag hat denn Vassar?« fragte ich tapfer.
    »Ralph aufzusuchen.«
    »Ralph? Wozu sucht er Ralph auf?«
    Paul seufzte mit dem übertriebenen Getue eines kleinen Jungen; der große Junge hatte sich zurückverwandelt. »Um zu sehen, wie es ihm geht. Und ihm von uns zu erzählen.«
    »Er soll also Bericht erstatten.«
    »Mhm. So was Ähnliches.« Der Blick immer noch gesenkt.
    »Über uns alle?«
    »Mhm.«
    »Und wie ist er ausgefallen?«
    »Gut.« Paul hob den Blick, wich aber meinen Augen immer noch aus.
    »Ist mein Teil auch okay?«
    »Dein Teil war nicht gerade lang. Aber schon gut.«
    »In Ordnung. Hauptsache, ich bin dabei. Wann meldet sich denn der olle Vassar zurück?«
    »Gar nicht. Ich hab ihm gesagt, er kann am Cape May leben.«
    »Wieso denn das?«
    »Weil Ralph tot ist. Glaube ich.«
    Ich war mit ihm und seiner Schwester erst im letzten Herbst zum Cape May gefahren, und ich fand es nun interessant, daß er glaubte, die Toten leben dort. »Es ist also ein Auftrag ohne Rückmeldung.«
    »Genau.«
    Pauls wilde Blicke waren auf die Tür meines Wagens gerichtet, nicht auf mich, und ich spürte, daß ihn dieses ganze Gerede von Toten verwirrte. Kinder fühlen sich im Angesicht von Aufrichtigkeit und unter den Lebenden am wohlsten (wer könnte es ihnen verdenken?), anders als Erwachsene, die manchmal keinen einzigen nichtironischen Knochen im Leib haben, selbst in bezug auf Dinge, die unmittelbar vor ihnen liegen und ihre Existenz bedrohen können. Die Freundschaft zwischen Paul und mir gründete jedoch von Anfang an auf dem Fels der Aufrichtigkeit.
    »Was hast du denn heut abend Lustiges auf Lager?« fragte ich. Paul ist ein heimlicher Sammler abgedroschener Witze und kann Leute auch mit Witzen zum Lachen bringen, die sie längst kennen, obschon er es manchmal vorzieht, zu schweigen. Ich kann ihn um sein Gedächtnis nur beneiden.
    Diesmal mußte er aber erst nachdenken. Er legte, scheinbar in Gedanken, den Kopf in den Nacken und starrte zu den Zweigen hoch, als wären alle guten Witze da oben. (Sagte ich nicht gerade erst, daß sich die Dinge ständig ändern und uns überraschen? Wer hätte gedacht, eine Fahrt auf einer dunklen Straße könnte zu einem Gespräch mit meinem eigenen Sohn führen! Und zwar zu einem Gespräch, bei dem ich erfahre, daß er zu seinem toten Bruder Kontakt hält – ein vielversprechender psychologischer Hinweis, wenn auch ein wenig irritierend – und bei dem ich auch noch einen Witz zu hören bekomme.)
    »Hmmm, also gut«, sagte Paul. Er war jetzt ganz Johnny, ganz Tonight Show . An der Art, wie er die Hände in die Taschen steckte und sein Gesicht abwandte, erkannte ich, daß ihm, seiner Einschätzung nach, etwas ziemlich Komisches eingefallen war.
    »Fertig?« fragte ich. Bei jedem anderen wäre damit der Witz schon gestorben. Doch bei Paul gehört es zum Ritual.
    »Fertig«, sagte er. »Wie bellen schottische Hunde?«
    »Keine Ahnung.« Ich gebe mich sofort geschlagen.
    »MacWau, MacWau.« Paul konnte sein Gelächter keine Sekunde zurückhalten, und ich auch nicht. Wir schüttelten uns vor Lachen – er auf der Straße, ich in meinem Auto. Wir lachten irrsinnig laut und lange, bis uns die Tränen kamen und ich mir sagte, wenn wir nicht an uns hielten, würde seine Mutter herauskommen und (stumm) an meinem gesunden

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