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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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vorbei, um zu sehen, was die dort treiben und um mit einem Choral meine Stimmung zu heben. X und ich wurden Gemeindemitglieder, als wir hierherzogen, aber sie verlor dann das Interesse, und ich begann sonntags zu arbeiten. Jahre vorher, als meine Studentenzeit in Ann Arbor im Zeichen des Kriegs ihrem Ende entgegenging, brauchte ich gegen die verwirrende, humorlose, von Schuldgefühlen geprägte ironische Grundstimmung dringend ein Gegenmittel, und so schloß ich mich einer liberalen und undogmatischen Westminster-Gruppe in der Maynard Street an. Der Prediger, der sich selbst als »Moderator« bezeichnete, war eine große, picklige, offene Kragen tragende Vogelscheuche von einem Mann, dessen gemurmelte Predigten sich um den Hunger in der Welt, um UNO und SEAT drehten, und dem es offenbar peinlich war, aufzustehen und zu beten, und der dabei nie die unruhigen Augen zumachte. Eine hagere, kleine, magersüchtige Ehefrau assistierte ihm – sie stammten beide aus Muskegon –, und unsere Gemeinde bestand im wesentlichen aus älteren Professorenwitwen, einigen verwirrten und reizlosen Studentinnen und ein, zwei Homosexuellen, die dabei waren, ihre Lage in den Griff zu bekommen.
    Ich hielt fünf Wochen durch, dann legte ich meine Bibel in die Ecke und fing an, meine Samstagabende im Verbindungshaus zu verbringen und mich gründlich vollaufen zu lassen. Christliches Denken war, wie damals alles in Ann Arbor, zu nüchtern und zu stark auf das Lösen von Problemen fixiert. Der Geist wurde mit allzu großer Sachlichkeit zu Fleisch. Angesichts des schlimmen Zustands, in dem die Welt sich befand, kamen Verzückung und Ekstase (deretwegen ich hingegangen war) nicht einmal in kleinem Umfang in Frage. Und so hatte ich dann keine Lust mehr mitzumachen.
    Doch die Presbyterianer in Haddam gehen einen guten und vernünftigen Weg. Sie haben die glühende Hoffnung, dich auf die Erde zu holen, indem sie es deinem Geist erlauben, sich aufzuschwingen – gleichsam ein komplexer, geistiger Orientierungslauf. Die regelmäßigen Besucher wissen alle ganz genau, weshalb sie dort sind; sie sind dort, um sich retten zu lassen oder das verdammt gut zu imitieren, und keiner führt den anderen hinters Licht.
    Was ich an der Anschlagtafel lesen konnte, kam mir allerdings seltsam vor, obwohl es sich wahrscheinlich als hundsgewöhnlich herausstellen würde – ein Trick, der all denen, die einmal im Jahr einen Gottesdienst besuchen, vorgaukeln soll, die Kirche habe sich geändert.
    »DER WETTLAUF ZUM GRAB«
    Der Pfarrer würde irgendeinen geistreichen und provozierenden Scherz an den Anfang stellen: »Also, eins muß man diesem Typ, diesem Jesus, ja lassen: er war schon ein komischer Vogel, meint ihr nicht?« Und wir würden ihm alle zustimmen. Und sofort würde er mit verbissener Hartnäckigkeit die Auferstehung bekräftigen und darauf hinweisen, daß das auch uns einmal widerfahren könnte.
    Ich fuhr langsam weiter, wünschte dem Polizeibeamten Carnevale mit einem nach oben gereckten Daumen Glück, was er verdrossen erwiderte, und steuerte dann direkt The Presidents an – die Tyler Street rauf, Pierce runter und auf einem gewundenen Weg zur Cleveland Street, wo ich unter einem mächtigen Tupelobaum gegenüber der Nummer 116 anhielt, X’ kleinem geschindeltem Haus im Kolonialstil. Ihr Citation stand in der schmalen Garagenzufahrt, ein unbekannter blauer Wagen parkte am Straßenrand.
    Flink wie ein Wiesel stieg ich aus meinem Wagen, überquerte die Straße, duckte mich und legte eine Hand auf die Kühlerhaube des unbekannten blauen Wagens – es war ein Thunderbird – und schlich zu meinem zurück, ehe mich irgend jemand in der Cleveland Street sehen konnte. Wie ich gehofft hatte, war der Bird so kalt wie das Herz eines Mörders, und erleichtert sagte ich mir, daß er wohl einem Nachbarn gehörte oder einem Verwandten, der gerade bei den Armentis nebenan zu Besuch war. Allerdings hätte es auch ein Verehrer sein können, von dem ich nichts wußte – einer der dickbäuchigen Kreditkarten-Typen aus dem Country Club, ein Gedanke, der meine Erleichterung wieder in Zweifel umschlagen ließ.
    Ich hatte vorgehabt, einen harmlosen Besuch zu machen. Ich hatte Paul und Clarissa seit vier Tagen nicht mehr gesehen, für uns eine ungewöhnlich lange Pause. Die beiden kommen meistens nach der Schule angetanzt, essen ein Sandwich, schwatzen miteinander, kramen in ihren alten Zimmern wie früher, holen Spiele heraus, lesen Bücher, während ich die ganze Zeit

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