Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
Vom Netzwerk:
Gewißheit so selten werden würde wie ein kostbarer Diamant? Wer konnte wissen, daß unser Haus zum Ziel von Einbrechern werden und daß alles auseinanderbrechen würde? Wußte denn Walter Luckett, daß er Mr. Wrong vor zwei Tagen kennenlernen und sein Leben erneut ändern würde, nachdem das bereits seine Frau getan hatte? Nein, mit Sicherheit nicht. Keiner von uns führt ein wirklich gewöhnliches Leben; nichts an unseren Freuden oder unseren Verhängnissen ist eintönig. Alles ist so kompliziert wie ein geometrisches Problem, wenn es um Angelegenheiten des Herzens geht. Ein Leben kann sich so einfach ändern, wie sich ein Tag ändern kann – kommt Sonne, kommt Regen, wie es in dem Lied heißt. Aber es kann sich auch ein weiteres Mal ändern.
    Die Turmuhr auf Sankt Leo schlug zehn, und in der Cleveland Street 116 tat sich etwas.
    Das gelbe Licht über der Veranda ging an. Drinnen redete jemand im Ton geduldiger Belehrung, und die Haustür ging auf. Mein Sohn Paul kam heraus.
    Paul in Tennisshorts und einem T-Shirt der Minnesota Twins, das ich ihm von einer Reise mitgebracht habe. Er ist zehn, klein und noch nicht besonders schlau, ein ernster, oft zerstreuter Junge mit einem guten Herzen und all den reizenden Eigenschaften zweitgeborener Söhne: Geduld, Neugier, einem gewissen Maß an nützlicher Erfindungsgabe, Sentimentalität, einem wachsenden Wortschatz, auch wenn er nicht gerade eine Leseratte ist. Ich versuche mir immer wieder einzureden, daß er eine gute Zukunft vor sich hat, obwohl er, wenn wir oben in seinem Zimmer palavern, wo er überall Poster des Sierra Clubs hängen hat – Adler und Gänsesäger und Seetaucher –, immer den Eindruck erweckt, als sei er gefesselt und gleichzeitig verstimmt, so als gebe es irgendein alles überragendes Ereignis in seinem Leben, an das er sich, obwohl er seine Bedeutung ahnt, nicht erinnern kann. Natürlich bin ich sehr stolz auf ihn, und auf seine Schwester ebenso. Sie behaupten sich beide wie Soldaten.
    Paul hatte einen der Vögel aus seinem Taubenschlag mit herausgebracht, eine gesprenkelte Felsentaube, einen stattlichen Flieger. Er trug ihn beherzt und mit dem selbsterlernten beidhändigen Griff des Fachmanns zum Bordstein. Wie ein Spion, hinter dem Lenkrad tief nach unten gerutscht, behielt ich ihn im Auge; im Schatten des großen Tupelobaums war ich wohl kaum zu sehen, aber Paul war ohnehin zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß er mich hätte bemerken können.
    Am Bordstein nahm er die Taube in die eine kleine Hand, streifte die Kapuze ab und steckte sie geschickt in die Tasche. Der Vogel reckte in der neuen Umgebung gereizt den Kopf. Doch Pauls vertrautes, ernstes Gesicht wirkte beruhigend.
    Paul beobachtete die Taube eine ganze Zeit, packte sie wieder mit beiden Händen, und in der nächtlichen Stille konnte ich die Stimme des Jungen reden hören. Er instruierte den Vogel in einer Sprache, die er eingeübt hatte. »Erinnere dich an dieses Haus.« – »Halte dich genau an diese Route.« – »Beachte diese Gefahr und jenes Hindernis.« – »Denk an all die Dinge, die wir geübt haben.« – »Vergiß nicht, wer deine Freunde sind« – allesamt gute Ratschläge. Als er alles gesagt hatte, hielt er sich den Vogel vor die Nase und schnupperte an seinem Hinterkopf. Ich sah, wie er die Augen zumachte, und dann ließ er los, warf den Vogel hoch, und die hellen Flügel rissen die Nacht sofort an sich, auf und davon und aus den Augen wie ein flüchtiger Gedanke, die Flügel erst groß und weiß und dann rasch kleiner und über den Bäumen – und verschwunden.
    Paul blickte ihm noch einen Augenblick nach. Dann, als habe es nie einen Vogel gegeben, drehte er sich um und starrte über die Straße zu mir herüber, der ich zusammengesunken wie der Polizeibeamte Carnevale in meinem Streifenwagen saß. Er hatte mich wahrscheinlich schon vor einer Weile gesehen, sich dadurch aber nicht rausbringen lassen – wie ein großer Junge, der zwar weiß, daß er beobachtet wird und dem das nicht paßt, der aber weiß: So sind nun mal die Regeln.
    Paul kam mit linkischen Kleine-Jungen-Schritten, aber mit einem gewinnenden Lächeln über die Straße, und ich weiß, mit diesem Lächeln würde er auch einen völlig Fremden anstrahlen.
    »Tag, Dad«, sagte er durch das Fenster.
    »Tag, Paul.«
    »Na, was gibt’s?« Immer noch strahlend, wie ein argloser Junge.
    »Ich sitz hier nur so rum.«
    »Alles klar?«
    »Bestens. Wem gehört dieses Auto vor dem Haus?«
    Paul drehte

Weitere Kostenlose Bücher