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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Falsche Pässe? Devisen? Auf einer geringfügig höheren Ebene: Wie wirke ich ? (Wer hätte das nicht schon mal seinen Arzt fragen wollen?) Doch ich bin wild entschlossen, auch nicht die kleinste Kleinigkeit herauszubringen, die über das hinausgeht, was ich zufällig bei meinen Besuchen mitbekomme, denn weitere Erkenntnisse würden mich nur zum Verlierer machen, mich mit langweiligen Fakten zudecken und mich zwingen, etwas anderes Unbegreifliches zu suchen oder ganz darauf zu verzichten.
    Wie erwartet, genügte allein schon die Nähe zu dem warmen Licht hinter den Vorhängen – gleich dem altehrwürdigen Licht aus einem anderen Jahrhundert –, meine Stimmung schlagartig steigen zu lassen, wie bei einem Anhalter, der bereits alle Hoffnung verloren hat und dann doch noch von einem Auto mitgenommen wird. Mehr schien plötzlich möglich, und ganz nahe, wohingegen vorher nichts ging. Doch als ich im Wegfahren noch einmal einen nostalgischen Blick auf Mrs. Millers Häuschen warf, hatte ich das Gefühl, daß plötzlich die Haustür einen Spalt weit geöffnet war. Jemand beobachtete mich dort, fragte sich, wer ich wohl sein mochte, was ich dort gewollt hatte. Ein Liebespaar? Die Polizei? Ein Betrunkener, der seinen Rausch ausschlief? Ich war nicht mal sicher, daß die Tür aufgegangen war, so daß das für mich ebenso ein Rätsel war, wie ich es für die Person war, die ich dort vermutete. Ein geteiltes Rätsel, falls er/sie dort existierte, ein vollkommenes Geben und Nehmen im Geiste einer Ehe. Und ich reihte mich rasch in den Verkehr nach Süden ein, neugeboren wie ein Baby mittleren Alters.
    Bei der ersten Abfahrt fuhr ich herunter und brauste auf der Great Woods Road zurück durch die dunklen Apfelplantagen, Pflanzschulen, Beefalo-Ställe, das Sportgelände der De Tocqueville Academy und die Rasenflächen um die modernen »Weltzentralen« – alles Dinge, die Haddam nach Süden abschirmen: vor den protzigen Autozubehörmärkten, den Stallungen voller Milchkühe und den schicken Funkbaracken mit ihrer Leierkastenmusik entlang der Landstraße 1, auf dem Weg zur düsteren Stadt der brüderlichen Liebe. Ich war jetzt nicht mehr bereit, schlafen zu gehen. Weit gefehlt. Sachlichkeit und Einsamkeit waren in ihre Schranken verwiesen worden, und eine Vorfreude erwachte. Der Tag, der sich in einen Frühlingsabend verwandelt hatte, versprach einiges, das nur ein Abenteuer halten konnte.
    Ich fuhr gemächlich die Seminary Street entlang, geistesabwesend und leer im zitronengelben Dunst des Vorortabends. (Es konnte jederzeit eine traurige Stadt sein.) Die Verkehrsampeln an beiden Enden blinkten gelb, und nur der Polizeibeamte Carnevale wartete auf der Südseite des Platzes in seinem leise murmelnden Streifenwagen, im Polizeifunk versunken, bereit, Raser und flüchtende Diebe von Zehn-Gang-Rädern zu verfolgen. Selbst im Seminar herrschte Stille – gotische Feierlichkeit und kanariengelbe Lichter aus den viereckigen kleinen Fensterscheiben hinter den Ulmen und Platanen. Zwischenprüfungen mit Übungspredigten standen bevor, und alle waren am Büffeln. Nur Carnevales Auspuff kündete von wenigstens einer wachen Menschenseele im Umkreis von hundert Meilen, wo über den Bäumen die strahlenden Lichter New Yorks den Himmel erbleichen ließen.
    Am Donnerstag vor Ostern, abends um neun, weit draußen an der Bahnstrecke. Eine Stadt, fast jede Stadt, müßte eigentlich ihre ganz eigenen Geheimnisse haben. Doch wer das glaubt, der irrt sich. Haddam zum Beispiel ist so unkompliziert und prosaisch wie ein Hydrant, und gerade das macht es so angenehm, in dieser Stadt zu leben.
    Keiner von uns könnte es ertragen, wenn jeder Ort ein graues Chicago oder ein stinkendes Los Angeles wäre – Städte wie Gotham, von einer natürlichen, verwickelten Kniffligkeit. Wir alle brauchen unsere einfachen, unzweideutigen, ja künstlichen Stadtlandschaften, wie Haddam sie mir bietet. Orte ohne provozierende, doppelgesichtige Kompliziertheit. Gebt mir ein kleines Irgendwo, ein strahlendes, steppendes Terre Haute oder ein naives Bismarck mit stabilen Grundstückspreisen, regelmäßiger Müllabfuhr, intakter Kanalisation, großzügigen Parkplätzen, nicht weit von einem großen Flughafen gelegen, und ich stehe jeden Morgen vor den Vögeln auf und singe ihnen was vor.
    Ich fuhr langsamer, um am Rand des Seminargeländes einen Blick auf die Anschlagtafel der Ersten Presbyterianischen Kirche werfen zu können. Gelegentlich gehe ich da sonntags auf einen Sprung

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