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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Baltimore zu erzwingen. Das machte sie wütend. Tips für Wettgeschäfte, sagte sie, kosteten mehr als fünf Dollar und berechnete mir zehn, ohne meine Frage zu beantworten.
    Ich habe mit der Zeit gelernt, daß ich, falls sich ihre Antworten auf meine Fragen als falsch herausstellen, am besten annehme, ich bin irgendwie selber schuld, daß es anders gekommen ist.
    Doch wo sonst kannst du auf Verlangen hoffnungsvolle, beflügelnde Projektionen für die reale Zukunft bekommen? Wo sonst kannst du an einem windigen Januartag, geplagt von einem Wagen voll kleiner Teufel, hinfahren und dir von einer relativ fremden Person halbwegs zuverlässig versichern lassen, daß du der bist, für den du dich hältst, und daß die weitere Entwicklung keineswegs so beschissen sein wird?
    Würde wohl ein Dr. Freud so zuvorkommend sein? fragte ich mich. Würde er wohl mehr wissen und es dir sagen? Ich bezweifle es. In den schlimmen Tagen nach meiner Scheidung habe ich in St. Louis eine junge Frau kennengelernt, die – sie war Mitte Zwanzig und phantastisch gebaut – bereits Tausende von Dollars und Stunden für den angesehensten Psychiater in dieser düsteren, von Ziegeldächern geprägten Stadt aufgewendet hatte, ehe sie eines Tages in bester Stimmung in sein Sprechzimmer platzte. »Hallo, Dr. Fasnacht«, verkündete sie, »ich bin heute morgen aufgewacht und wußte plötzlich, ich bin geheilt! Ich bin jetzt soweit, ich kann meine Besuche bei Ihnen einstellen und mich als ganz normaler Bürger in der Welt behaupten. Sie haben mich geheilt. Sie haben mich ja so glücklich gemacht!« Worauf der alte Schwindler antwortete: »Aber das ist ja entsetzlich. Ihr Wunsch, mit der Therapie aufzuhören, ist der bedrückende Beweis für die furchtbare Notwendigkeit, die Behandlung fortzusetzen. Ihre Krankheit ist viel schlimmer, als ich gedacht habe. Also, legen Sie sich hin.«
    Mrs. Miller würde nie eine so trübselige Auskunft geben. Ihre Strategie würde ganz anders aussehen: Für diesen Tag würde sie eine viel optimistischere Prognose stellen als sonst, sie würde dir die Hand geben, zum Zeichen des Glücks möglicherweise sogar auf die fünf Dollar verzichten und mit hochgezogenen Augenbrauen sagen: »Kommen Sie wieder, wenn irgend etwas Sie verwirrt.« Ihre Devise ist: Ein guter Tag ist ein guter Tag. Wir erleben solche Tage selten genug. Also, genieße ihn!
    Und das ist nur der vordergründige Aspekt von Mrs. Millers – wie nenn ich es am besten – Service? Behandlung? Armselige Worte für das Unbegreifliche. Und das Unbegreifliche ist für mich der springende Punkt, ja, das einzige , dem ich in diesem Stadium meines Lebens – nach der Hälfte der Stadionrunde – irgendwelchen Wert beimesse.
    Unbegreiflich nenne ich den attraktiven Zustand eines Objekts (eines Gegenstands, einer Handlung, einer Person), von dem du ein wenig weißt, aber beileibe nicht alles. Es ist das dunkle Versprechen unbekannter Dinge (Wirkungen, Verflechtungen, Mutmaßungen), die du nicht zu gründlich erforschen darfst, weil sonst die Gefahr besteht, daß du in einer Sackgasse aus reinen Tatsachen landest.
    Etwas typisch Unbegreifliches wäre es, nach Cleveland zu reisen, einer Stadt, die dir noch nie gefallen hat, ein schönes Mädchen kennenzulernen, mit ihr in ein Hummerlokal zu gehen und dort beim Essen auf eine Insel vor der Küste Maines zu sprechen zu kommen, wo ihr beide mit früheren Partnern herrliche Zeiten verbracht habt; diese Insel lebt nun in der Erinnerung so sehr wieder auf, daß ihr auf dem schnellsten Weg nach oben rennt, um wie ausgehungert übereinanderherzufallen. Am nächsten Morgen ist alles in bester Ordnung. Du fliegst weiter in eine andere Stadt, vergißt das Mädchen. Aber du hast für den Rest deines Lebens eine andere Einstellung zu Cleveland, ohne recht zu wissen, warum.
    Wenn ich wegen einer Fünfdollarberatung zu Mrs. Miller komme, offenbart sie mir nicht die Welt und auch nicht meine Zukunft in der Welt. Sie flößt mir lediglich Mut und Zuversicht ein, erlaubt mir einen kurzen Blick auf das Unbegreifliche, das ihr eigenes Leben umgibt, und wenn ich dort weggehe, bin ich voller Hoffnung und voll neugieriger Fragen auf der alleruntersten Ebene: Wer ist eigentlich diese Mrs. Miller, wenn sie keine Zigeunerin ist? Eine Jüdin? Eine Marokkanerin? Ist »Miller« ihr richtiger Name? Wer sind all die anderen Leute in ihrem Haus – Verwandte? Ehemänner? Sind sie Bürger dieses Staates? Was führen sie im Schilde? Geht es um Waffen?

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