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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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dafür, daß etwas Außergewöhnliches im Gange ist. Ein Mann in der Schlange der Abreisenden am Schalter erinnerte mich – ausgerechnet – an Walter Luckett. Sogar die schwarze Zeitungsverkäuferin ließ mich an Peggy Connover denken, die Frau, der ich seinerzeit immer nach Kansas geschrieben habe und deren Briefe X veranlaßt haben, sich von mir zu trennen. Peggy war in Wirklichkeit Schwedin und würde bei dem Gedanken, sie könnte ein wenig negroid aussehen, herzhaft lachen. Wie alle Zeichen können auch diese gut oder schlecht sein, und ich ziehe es vor, aus ihnen zu schließen, daß das Leben – jedermanns Leben – nicht so zusammenhanglos und willkürlich ist, wie es erscheinen mag, und daß wir tief drinnen alle nach einem anständigen, lohnenden Kontakt greifen, sobald sich eine Gelegenheit bietet.
    Letzte Nacht hatte ich, als Vicki eingeschlafen war, den seltsamsten Traum; ich habe so etwas noch nie geträumt und lege auch künftig keinen Wert darauf. Mit Träumen ist bei mir sowieso nicht viel los, und wenn ich die Augen aufmache, kann ich mich fast nie an sie erinnern. Und wenn ich mich doch mal erinnere, kann ich gewöhnlich alles auf etwas zurückführen, was ich am Nachmittag gegessen habe, oder auf ein Buch, das ich gelesen habe. Und in der Regel ist sowieso nicht viel dabei, was mir bekannt vorkommt.
    In diesem Traum wurde ich jedoch mit jemandem konfrontiert – einem Mann –, den ich kannte, den ich aber vergessen hatte – wenn auch nicht ganz, denn da waren Erinnerungsfetzen, die ich zu keinem kompletten Bild zusammenfügen konnte. Dieser Mann nun erwähnte – so indirekt, daß ich jetzt nicht mal mehr weiß, was er sagte – etwas Schändliches über mich, etwas eindeutig Schändliches, und es machte mir angst, daß er möglicherweise noch mehr wußte und daß ich es vergessen hatte und nicht hätte vergessen dürfen. Das alles erschreckte mich zutiefst, weckte mich aber nicht gleich auf. Als ich dann um acht Uhr aufwachte, erinnerte ich mich sofort: Ich hatte den ganzen Traum glasklar vor mir, doch Namen und Gesichter fehlten mir ebenso wie die Schande, die ich möglicherweise auf mich geladen hatte.
    Nicht nur, daß ich meine Träume schlecht behalten kann: Ich glaube auch nicht recht an sie oder ihre angebliche Bedeutung. Alle, mit denen ich je über Träume gesprochen habe – und Mrs. Miller denkt zu meiner Freude genau wie ich und läßt sich von niemandem Träume erzählen –, alle deuten ihre Träume immer so, daß sie etwas Unangenehmes ausdrücken, eine finstere Absicht oder ein kleinliches, schuldiges Verlangen, weit nach hinten in die Höhle des Unbewußten gedrängt, wo es nur die Möglichkeit hat, zu einem späteren Zeitpunkt Ärger zu machen.
    Wohingegen ich ein Verfechter des Vergessens bin. Vergessen sollten wir Träume, Unzufriedenheiten, alte, charakterliche Mängel – bei uns und bei anderen. Für mich besteht keine Hoffnung, solange wir das, was vorher gesagt und getan worden ist, nicht vergessen und vergeben können.
    Und genau deshalb ist dieser letzte Traum so unangenehm. In ihm geht es ums Vergessen, und doch scheint in ihm ein deutlicher Zug des Unversöhnlichen auf, und das war es, was mich in meinem Schlaf so erschreckt hat, in einer alten Stadt, wo ich mich so wohl fühle wie ein Kosak in Kiew und wo ich keinen größeren Wunsch habe, als daß die Gegenwart glücklich sei und daß die Zukunft – so wie sie das immer tut – für sich selber sorgen möge. Ich würde am liebsten in allen Zeichen gute Zeichen sehen und sie andernfalls überhaupt nicht beachten. Es gibt überall so viele schlechte Zeichen (man lese nur die New York Times ), daß es sinnlos ist, einem von ihnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Im Fall meines Traumes kann ich mir nicht einmal vorstellen, weswegen ich ängstlich sein sollte, denn ich bin voller Eifer, ja, ich fühle mich obenauf. Und sollte ich im alten, bemoosten, existentiellen Sinn Angst haben, so ist das neu für mich und wird mir auch künftig neu sein.
    Es ist natürlich die größte aller Ironien, daß X mich wegen Peggy Connovers Briefen verlassen hat, denn Peggy und ich hatten uns nie zur kleinsten Unbesonnenheit hinreißen lassen.
    Sie war eine Frau, die ich im Flugzeug zwischen Kansas City und Minneapolis kennenlernte und über die ich im Laufe eines Nachmittags, eines Abendessens und eines Abends so viel erfahren habe, wie es in dieser Zeitspanne überhaupt möglich ist. Sie war zweiunddreißig und alles andere als

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