Sportreporter
betonierten Flußufer von Cobo bis zum Ren-Cen gebreitet, und unter einem wattierten Michigan-Himmel gleitet der Fluß brackig und kaffeefarben vorüber. Nichts war’s mit dem Flutlichtspiel. Der Frühling ist plötzlich verschwunden, und der Winter ist wieder da. Ich bin sicher, daß dasselbe Wetter bis morgen New Jersey erreicht haben wird (in Wetterangelegenheiten hinken wir dem mittleren Westen einen Tag hinterher), während dann hier schon wieder mildes Tauwetter herrschen wird. Wenn dir das Wetter nicht paßt, dann wart einfach zehn Minuten.
Vicki schläft noch fest in ihrem schwarzen Crêpe de Chine, und obwohl ich sie gern wecken und mich gründlich mit ihr aussprechen würde, kommt mir der gestrige Abend unwirklich vor, und Optimismus in bezug auf »uns beide« ist das, was es jetzt zu betonen gilt. Ein Gespräch kann immer bis später warten.
Ich bin rasch geduscht und angezogen und mache mich – die Taschen vollgestopft mit Notizblöcken und einem kleinen Recorder – auf den Weg zum Frühstück und zu meiner Verabredung in Walled Lake. Auf dem Nachttisch hinterlasse ich ihr eine Nachricht, die besagt, ich wolle bis Mittag zurück sein, und sie solle den Film im Programm der HBO anschauen und sich ein großes Frühstück heraufschicken lassen.
In der Lobby des Ponchartrain herrscht eine angenehme, schläfrig-sinnliche Samstagmorgen-Atmosphäre; daran ändert auch der neue Schnee nichts, der nach übereinstimmender Meinung der Hotelpagen »verrückt« ist und kaum bis Mittag liegenbleiben wird, obwohl nicht wenige Gäste ihre Rechnung bezahlen und zum Flughafen aufbrechen wollen. Das schwarze Mädchen am Zeitungsstand, das mir eine Free Press verkauft, lächelt breit und gähnt. »Im Bett schläft sich’s besser«, sagt sie lachend mit übertriebenem Akzent. In dem Ständer steckt ein Exemplar meines Magazins mit einer von mir geschriebenen Geschichte über den Aufstieg des Synchronschwimmens in Mexiko – die ganzen Recherchen besorgten Mitarbeiter im Büro. Ich bin versucht, dazu eine beiläufige Bemerkung zu machen, strebe aber statt dessen dem Frühstück zu.
Im Frühstückszimmer La Mediterranée bestelle ich zwei Verlorene, Toast und Saft und bitte den Kellner, sich zu beeilen, während ich in der Tabelle der American League Ost nach den frühen Spitzenreitern schaue – wer ist weg vom Fenster, wer hat die Nasenspitze vorn. Der Sportteil der Free Press war mir schon immer der liebste. Jede Menge Fotos. Ein klares, übersichtliches Layout, große, gut lesbare Schrift, und alles in einem bodenständigen Stil geschrieben, in dem sich jeder gleich heimisch fühlen kann. Die Literatur hat ihre Berechtigung, aber mehr noch Sätze, die zum Lesen gedacht sind und nicht zum Philosophieren: »Der frühere Starspieler der Rice-Truppe, Phil Staransky, der in dem Doppeldecker Mittwochabend zweimal im rechten Augenblick einen Hit schaffte und damit bei vier Auftritten dreimal traf, wird nach Meinung nicht weniger Experten um Michigan und Trumbull in nächster Zeit häufiger als dritter Baseman eingesetzt werden, bevor der Klub dann seine erste Serie an Auswärtsspielen im Westen absolviert. Werfercoach Eddie Gonzalez meint, der Mann aus Hamtramck sei ›für die großen Klubs interessant geworden, vor allem‹, sagt Gonzalez, ›da der junge Mann nicht mehr versucht, nach jedem Ball zu gehen, sondern angefangen hat, mit Köpfchen zu spielen.‹« Zu meiner Studentenzeit ließ ich mir diese Zeitung von einem »Anwärter«, der sich um Mitgliedschaft in unserer Verbindung bewarb, jeden Morgen ans Bett bringen und hatte in der ersten Zeit in Haddam sogar ein Abonnement. Hin und wieder überlege ich mir, ob ich bei dem Magazin nicht aufhören und mich mit einer eigenen Kolumne wieder ins Gespräch bringen soll. Andererseits bin ich mir sicher, daß es dafür jetzt zu spät ist. (Die Jungs in den lokalen Sportredaktionen haben zu den Autoren der überregionalen Magazine kein sehr herzliches Verhältnis, da wir besser verdienen. Und ich habe von alten Lokalhasen tatsächlich schon so verworrene Auskünfte bekommen, daß ich, hätte ich Gebrauch davon gemacht, in meinen Artikeln reichlich schlecht ausgesehen hätte.)
Vom Gefühl her hat der Morgen etwas Seltsames, trotz der freundlichen Anonymität des Hotels. Ich spüre jetzt ein deutliches Vibrieren in der Magengrube, nicht unangenehm, aber hartnäckig. Mehrere Leute, die ich in der Lobby gesehen habe, haben mich an jemand erinnert, den ich kenne, ein Zeichen
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